Mobile Times Die Swisscom und das Ausland
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    Der heutigen Swisscom wird durch den Bundesrat faktisch jede Auslandsinvestition verboten - soweit der Kaufgegenstand der Grundversorgung dient. Die Swisscom ist zwar eine Aktiengesellschaft, aber als einige der wenigen europäischen Telekoms noch mehrheitlich im direkten Staatsbesitz, womit der Grossaktionär tatsächlich derartige Verbote durchdrücken kann.
    Der Bundesrat wird je nach Position für dieses Verbot gelobt oder getadelt. Und beide Seiten finden in der Geschichte der Schweizer Auslandsinvestitionen durchaus Begründungen für die jeweilige Position.
    Klar ist, dass die heutige Swisscom als sie noch ein Teil der Schweizer Post war, längst im Ausland investiert hat.
    Die heute oft kritisierten Auslandsinvestitionen sind aber keine Spezialität der Swisscom. Die gab es schon lange bevor die Aktiengesellschaft entstand.

Europäisches Umfeld
    Bevor wir uns mit den frühen Auslandsinvestitionen beschäftigen, sollten wir noch einen Blick auf das europäische Umfeld werfen, in das auch die Schweizer Telekom eingebettet ist. Die Einflüsse aus Europa beginnen sich deutlich 1988 zu zeigen, als die Europäische Union den Beschluss fasst, den Markt für Telekom-Endgeräte zu liberalisieren. Bis dahin hatte jede staatliche Telekom, die damals meist noch mit der Post zu einer PTT (das zweite T steht für Telegraf) genannten Organisation zusammengefasst war, ihr eigenes System zur Zulassung von Endgeräten, die man in der Regel auch nur bei der eigenen PTT kaufen durfte. Der EU-Beschluss ist wieder ein Ergebnis der gerade ausgebrochenen «digitalen Revolution» im Fernmeldebereich.
    Aber sehen wir uns die Schweizer PTT und ihre Telekom im Ausland einmal an.

Die ersten Auslandsabenteuer
    1989 stieg die die damalige «Telecom PTT» mit 17,7 % bei der US-amerikanischen Infonet ein, die Sprach- und Datenübertragungen für multinationale Firmen anbietet. Diese Beteiligung dürfte eine der langfristigsten in der Geschichte der heutigen Swisscom sein, denn erst 2004 verkaufte man die Anteile des inzwischen an der Börse gehandelten Unternehmens.
    Offensichtlich auf den Geschmack gekommen, gründete die Telecom PTT 1993 gemeinsam mit den ebenfalls staatlichen Telefongesellschaften KPN (Niederlande), und Telia (Schweden) - kurzzeitig war auch Telefónica (Spanien) mit von der Partie - die Unisource Carrier Services (UCS). Über diese Unisource wollte die Telecom PTT ihr internationales Geschäft mit den Partnern verschmelzen und UCS sollte so der führende Anbieter internationaler Telekom-Verbindungen in Europa werden. Die Vernetzung mit Übersee erfolgte durch eine Beteiligung des UCS an der AT&T-Unisource Communications Services (AUCS). Sehr erfolgreich war die Allianz nicht. Die Telefónica schied rasch wieder aus und schloss sich der konkurrierenden Allianz Concert (zwischen British Telecom und der amerikanischen MCI) an.
    Immerhin erhielt die UCS, die damals ihren Sitz in Wallisellen hatte, Ende 1997 in Österreich eine «Konzession für das Erbringen des öffentlichen Sprachtelefondienstes mittels eines selbst betriebenen festen Telekommunikationsnetzes», die aber offensichtlich wenig oder gar nicht in Anspruch genommen worden ist.
    Unisource expandierte in den nächsten Jahren durch diverse Zukäufe. Die Allianz wurde mehrfach umgebildet, aber die Kombination mehrerer Monopolisten war dauerhaft von Erfolglosigkeit geplagt.
    Eine weitere Investitionen der Telecom PTT erfolgte 1994 in Ungarn - dort wurde gemeinsam mit der niederländischen KPN JászTel, ein kleiner Anbieter, der in der Region Jászag aktiv war, gekauft. Auch in Tschechien kaufte sich die Telecom PTT ein und erwarb im TelSource Konsortium zusammen mit KPN 27 % der tschechischen Telekom.

Der Griff nach Asien
    Herzstück der Investionen war aber wohl Asien. Mit Malaysia als «Hub» sollte eine Art asiatisches Telekom-Imperium entstehen. Am 28. März 1997 wurde dort eine Firma Mutiara Swisscom Sdn Bhd (etwa eine GmbH) eingetragen, die bereits ein Monat später in die Mutiara Swisscom Bhd umgewandelt wurde, was ihren Börsegang ermöglichen sollte. Dieses Unternehmen war im Prinzip eine Holding für die heute noch als Teil der Telenor-Aktivitäten existierende DiGi, die schon 1995 als erster Betreiber in Malaysia ein voll digitales Netz in Betrieb genommen hatte. DiGi bietet neben GSM auch Festnetz, Datennetz und Satellitenkommunikation an.
    Die zweite Beteiligung in Asien betraf Indien. Hier hatte die Telecom PTT 32,56 Prozent von Sterling Cellular erworben. Sterling Cellular hat zu diesem Zeitpunkt eine Lizenz für Delhi und die kontrollierende Mehrheit von Aircell Digilink, die Mobilfunk in den indischen Telekomkreisen Haryana, Radschastan und Uttar Pradesh Ost anbietet.

Die Geburt der Swisscom
    1997 genehmigte das Schweizer Parlament ein neues Fernmeldegesetz (FMG) und das Telekommunikationsunternehmensgesetz (TUG). Diese Gesetze hatten einerseits die Umwandlung der Telecom PTT in eine spezielle Form von Aktiengesellschaft und andererseits die völlige Liberalisierung des Marktes zum Ziel. Wesentlich am TUG, das auch heute noch gültig ist, war, dass die Eidgenossenschaft die Mehrheit des Unternehmens halten muss.
    Hintergrund der neuen Gesetzgebung war die zum 1. Januar 1998 durch die Europäische Union beschlossene Liberalisierung des Telekommarktes, bei der die Schweiz mitziehen musste. Am 1. Oktober 1997 verwandelte sich daher die Telecom PTT in die Swisscom, die ab 1. Januar 1998 den Status einer Aktiengesellschaft erhielt.

Einmischung
    Das nächste Ereignis spielt zwar im Inland, passt aber recht gut in die weitere Entwicklung: Kaum ist die Swisscom formal gegründet, da wendet sich im Oktober der Bundesrat an die PTT und will über die Beteiligung der Swisscom an der Cablecom AG informiert werden, weil man die Gefahr sehe, dass in Zukunft der Wettbewerb im Fernmeldemarkt nicht in der gewünschten Weise spielen kann. Die Cablecom gehört zu diesem Zeitpunkt zu einem Drittel der Swisscom. Ein weiteres Drittel hält Siemens - angeblich auf Wunsch der PTT Telecom -, weil man schon früher verhindert hat, dass die PTT Telecom die Mehrheit an Cablecom bekommt. Was dann später passiert, zeichnet sich jetzt schon ab: Der Bundesrat teilt mit, dass er erwägt, einer Empfehlung der Wettbewerbskommission zu folgen, die einen Verkauf der Beteiligung forderte. Der Verwaltungsrat der PTT soll daher dem Bundesrat bis zum 14. November 1997 im Detail darlegen, mit welchen verbindlichen konkreten Massnahmen die Swisscom sicherstellen will, dass im Fernmeldemarkt generell und insbesondere im Bereich des Lokalzugangs zu den Kunden wirksamer Wettbewerb herrscht. Im weiteren will der Bundesrat wissen, welche vertraglichen Rahmenbedingungen bei einem allfälligen angeordneten Verkauf der Beteiligung beachtet werden müssen und wie ein solcher Verkauf konkret abzuwickeln wäre.

Rückzug nach Europa
    Die seit 1. Januar 1998 als Aktiengesellschaft agierende Swisscom beschloss eine völlige Neuausrichtung des Geschäftes. Hinfort sollte der Schwerpunkt auf Europa und hier vor allem auf den Nachbarländern liegen und die Swisscom sich als «Value-Added Service Provider» positionieren. Dazu mussten einerseits alte Beteiligungen abgestossen und neue gesucht werden. 1998 erwarb die neue Aktiengesellschaft 51 % an der österreichischen UTA, einem schon 1995 von österreichischen Energieversorgungsunternehmen gegründeten alternativen Festnetzanbieter. Am 13. Juli 1998 genehmigt die Europäische Kommission die Beteiligung.

Swisscom Ende 1998
Swisscom Ende 1998
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Abverkäufe 1998/1999
    Bei Unisource schien der Ausstieg geradezu leicht. AT&T war aus der Allianz ausgetreten und die Aktivitäten von Unisource wurden bereits schrittweise reduziert. Noch sprach man allerdings bei Swisscom von einer Neustrukturierung der Unisource.
    Die Beteiligungen in Indien (Sterling Cellular bzw. Aircell Digilink) und Malaysia (DiGi Swisscom) sollten laut Beschluss des Verwaltungsrates aufgegeben werden, weil sie nicht in das neu definierte Haupttätigkeitsgebiet der Swisscom passten - und anhaltend Verluste machten.
    Im Juni 1998 verkaufte man den Anteil an der ungarischen JászTel an den Marktführer Matav (Magyar Telekom). Für Swisscom war offiziell das geringe Wachtsumspotential des lokalen Betreibers der Verkaufsgrund. Immerhin hatten Swisscom KPN das kleine Unternehmen von 3.000 auf über 25.000 Anschlüsse gesteigert.
    Zur gleichen Zeit holte man allerdings in Indien die Genehmigung dafür ein, den eigenen Anteil an Sterling Cellular auf 49 % anzuheben. Mit den gewählten komplizierten Konstruktionen wäre die indische Regierung über den eigenen Schatten gesprungen und hätte einem Ausländern (Siemens war auch beteiligt) sogar die indirekte Mehrheit von 51 % ermöglicht. Allerdings war Swisscom zu diesem Zeitpunkt bereits auf dem Rückzug und beeilte sich mitzuteilen, dass die Anfrage nur vorbeugend gewesen wäre und man bisher keine neuen Investitionen in Indien geplant habe. Beide indischen Betreiber machten zu diesem Zeitpunkt mit wenigen tausend Kunden Millionenverluste.
    Im Oktober geht die Swisscom an die Börse.
    Im Jahresabschluss 1998 wurden die Buchwerte der Beteiligungen vollständig abgeschrieben.
    Im Mai 1999 konnte ein Vertrag über den Verkauf des 30%-Anteils an der DiGi Swisscom Berhad unterzeichnet werden. Im Juni 1999 wurde angekündigt, dass ein Verkaufsvertrag über den Swisscom-Anteil an Sterling Cellular Limited abgeschlossen wurde - und Unisource wurde 1999 einfach aufgelöst. Die praktische Durchführung erfolgte dann zwar erst 2000. Praktisch sah das aber so aus, dass die Aktiven und Passiven der Unisource im Rahmen eines «Demergers» auf die drei Aktionäre anteilsmässig übertragen wurden. Swisscom ist nun direkt an der AUCS mit 33 % beteiligt. Wesentliche Teile der Geschäftstätigkeit von AUCS wurden allerdings schon 1999 an die Infonet - an der Swisscom ja auch beteiligt ist - verkauft. Infonet soll die Geschäfte der AUCS für drei Jahre leiten und erhält alle Verluste der AUCS während dieser Zeit durch die ehemaligen Aktionäre ersetzt. Zudem erhält Infonet eine Bonuszahlung, falls die Verluste eine bestimmte Grenze unterschreiten.

Swisscom Ende 1999
Swisscom Ende 1999
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Eine Untersuchung
    Inzwischen hatten die finanziell recht unergiebigen Auslandbeteiligungen der Telecom PTT gewisse Besorgnisse ausgelöst, also wurde Prof. Giorgio Behr (Universität St. Gallen) vom UVEK (Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation) beauftragt, die Angelegenheit zu untersuchen und einen Bericht vorzulegen. Am 13. August 1999 meldet dann das UVEK, dass Prof. Behr seinen Bericht zu den Verantwortlichkeiten im Zusammenhang mit den Auslandbeteiligungen der Telecom PTT ans UVEK geliefert hat und in seiner Grobstudie über den Zeitraum 1993-1997 zum Schluss kommt, dass kaum Anhaltspunkte für eine Haftung der Organe der damaligen Telecom PTT vorliegen. Er meint in seinem Gutachten, dass er eher von einer Weiterverfolgung der Haftungsfrage absehen würde und weitere Untersuchungen - wenn überhaupt - nur für das Projekt Indien angezeigt sein könnten. Er meint aber auch, dass «auch nach zusätzlichen Abklärungen die Würdigung des Verhaltens der Organe oder einzelner Personen allenfalls zur Qualifikation als leichte Fahrlässigkeit führen würde und nicht zur Einstufung als grobe Fahrlässigkeit».
    Das UVEK weist darauf hin, dass gemäss Verantwortlichkeitsgesetz eine Haftung dann entsteht, wenn gegenüber dem Bund ein unmittelbarer Schaden entsteht, ein Kausalzusammenhang gegeben ist und Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit vorliegt. Jedes dieser Elemente müsse einzeln vorhanden sein, damit es zu einer Haftung kommt.
    Laut Behr, der die Projekte Unisource, Tschechien, Indien und Malaysia differnziert untersucht hatte, musste sich die damalige Geschäftsleitung gesamthaft, sowie der Verwaltungsrat (VR) in verschiedenen Punkten Kritik gefallen lassen, aber «Vorbehältlich einer näheren Untersuchung kann man kaum von einer schwerwiegenden Sorgfaltspflichtverletzung sprechen, aufgrund der umfassenden Abklärungen auch nur bedingt von einer leichten Sorgfaltspflichtverletzung». Behr meint jedoch, dass eine internationale Strategie und eine echte Risiko-Analyse anfänglich gefehlt hätten und die einzelnen Organe bei einzelnen Projekten Fehler begangen haben.
    Für das erste Geschäftsjahr der Swisscom (1988) und das erste Quartal 1999 findet Behr keine Hinweise, welche die Erteilung der Décharge an den VR Swisscom für das Geschäftsjahr 1998 hätten in Frage stellen können.

Expansion in Europa
    Die österreichische UTA - im Mehrheitsbesitz der Swisscom - schliesst mit dem so genannten «Ö Call-Konsortium» einen Kooperations- und Beteiligungsvertrag, mit dem sich die UTA mit zehn Prozent an der späteren max.mobil (heute T-Mobile Austria) beteiligte. Damit hätte Swisscom auch einen Fuss im österreichischen Mobilfunkgeschäft. Dieser Anteil wird aber im Februar 1999 schon wieder verkauft.
    Mit Kaufvertrag vom 9. Juli 1999 kauft Swisscom 58 % der Aktien von debitel. Der in Stuttgart ansässige Mobilfunkprovider zählt in Deutschland rund 2,2 Millionen Kunden und ist zudem in den Niederlanden, in Dänemark, Frankreich und Slowenien mit einer Kundenbasis von über 1,5 Millionen Kunden tätig. Nach einem öffentlichen Kaufangebot an die freien Aktionäre besitzt Swisscom Ende September 74,1% der Aktien von debitel. Der Kaufpreis belief sich laut Swisscom auf rund 3,4 Milliarden Franken, die teilweise durch liquide Mittel der Swisscom (1,7 Milliarden) und teilweise durch eine Zwischenfinanzierung aufgebracht wurden. Die debitel wird anteilig in den Konsolidierungskreis der Swisscom einbezogen.

Konsolidierung
    Für das erste Halbjahr 2000 berichtet Swisscom den Aktionären, dass debitel den Marktanteil am deutschen Mobilfunkmarkt auf 14 % steigern konnte und dort einen Teilnehmerbestand von 4,5 Millionen hat. Ausserhalb Deutschlands hat debitel 1,8 Millionen Kunden. Die Ergebniszahlen sind aber weniger beeindruckend, obwohl der Umsatz dort um 33,8 % auf fast zwei Milliarden Franken gesteigert werden konnte. Das las sich dann so: «Das überproportionale Wachstum der Kundenakquisitionskosten führte zu einem geringfügigen Rückgang des EBIT beim Mobilfunk Deutschland. Dazu belastete das ausländische Geschäft der debitel den EBIT».
    Das ursprünglich geplante Engagement im UMTS-Bereich fand nicht statt, sondern man zog sich aus der Auktion zurück. Dafür wollte man bis zum kommerziellen UMTS-Start mit Investitionen in das Kundenwachstum überproportional an der Marktentwicklung teilhaben und damit die Grundlagen für weiteres Wachstum und «die Ausschöpfung der Wertschöpfungstiefe» bis hin zur Entwicklung von «Mobile Virtual Network» MVNO schaffen.
    Im Inland musste die Swisscom - wie von Weko und Bundesrat gewünscht - die Beteiligung an Cablecom um ein dickes Trostpflaster von deutlich mehr als eine Milliarde Franken endgültig abgeben. Dazu konnte man recht preisgünstig um 50 Millionen Franken eine UMTS-Konzession für die Schweiz erwerben.

Swisscom Ende 2001
Swisscom Ende 2001
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Wieder einmal ein Rückzug
    In Österreich schien die UTA keine Chance auf Gewinne zu haben. Daher stieg die Swisscom Ende 2001 aus, ohne einen Rappen dafür zu sehen. Im Gegenteil, ein Gesellschafterdarlehen in Höhe von 142 Millionen Euro (rund 220 Millionen Franken) erliess man der maroden UTA und zog sich vom österreichischen Markt zurück.
    Im gleichen Jahr begann man im Mobilfunkbereich eine «strategische Zusammenarbeit» mit Vodafone, die sich vorerst als Verkauf eines Anteils von 25 % an der Mobilfunktochter Swisscom Mobile darstellt. Mit diesen Einnahmen (3,8 Milliarden Franken) und dem Verkauf von Immobilien im Wert von 2,3 Milliarden Franken füllt Swisscom die eigene Kriegskasse ordentlich auf.
    Die Strategie, die mit dem Erwerb von debitel verbunden war, geht nach dem Misslingen des Erwerbes einer UMTS-Lizenz nicht auf. Zudem stellt sich mehr und mehr heraus, dass Swisscom für debitel zu viel bezahlt hat. Das Unternehmen schreibt zwar schwarze Zahlen aber angesichts der notwendigen Wertberichtigungen wird die debitel nach Ansicht vieler Beobachter zu einem Milliardengrab.

2002 beginnen Aktienrückkäufe
    Auf Grund des guten Ergebnisses 2001 und offensichtlich auch wegen mangelnder Perspektiven, kündigt die Swisscom ein Aktienrückkaufsprogramm mit anschliessender Kapitalreduktion durch Ausgabe von Gratis-Put-Optionen an. Der Bundesrat beeilt sich anzukündigen, dass der Bund zustimmen wird und sich am Aktienrückkauf mindestens durch vollumfängliche Ausübung der ihm zustehenden Optionen beteiligen wird. Die Erträge werden laut EFT (Eidg. Finanzdepartement) für die Tilgung der Bundesschulden verwendet.
    Im Laufe des Jahres kauft Swisscom 9,99 Prozent er eigenen Aktien zurück und wendet dafür 5,5 Milliarden Franken auf.
    Die Tochter debitel meldet in Deutschland 7.729.000 Kunden, in den Niederlanden 1.374.000, in Frankreich 504.000, in Dänemark 372 000 und in Slowenien 82.000.
    Gegen Ende des Jahres führt Swisscom Mobile in der Schweiz «Public Wireless LAN» (PWLAN) ein und installiert an rund 100 stark frequentierten Orten wie Bahnhöfen, Flughäfen und Kongresszentren Access Points (Hotspots).
    Die Jahresbilanz steht im Zeichen der Tatsache, dass Swisscom 2002 als einer von wenigen Telekom-Anbietern weltweit gesund dasteht und praktisch schuldenfrei ist. Die Eigenkapitalquote liegt bei 43 Prozent und wegen der extrem niedrigen Schulden reicht - so die Führung bei der Bilanzpräsentation - der in sechs Tagen erarbeitete EBITDA aus, um sämtliche in einem Jahr anfallenden Schuldzinsen zu bezahlen.

Wi-Fi Euphorie
    Das Jahr 2003 steht im Zeichen einer Hotspot-Begeisterung, der sich Swisscom nicht entziehen will. Rasch wird eine Tochterfirma namens «Swisscom Eurospot» gegründet, die sich im noch jungen Markt auch durch Aufkäufe rasch zu einem Marktführer entwickelt. Das im gleichen Jahr vorgestellte «Swisscom Mobile Public Wireless LAN» wird aber kein Teil von Swisscom Eurospot.
    Der buchmässige Wert der Beteiligung an debitel, die nun nur mehr als Finanzinvestition betrachtet wird, sinkt weiter ab und steht Ende 2003 noch mit 848 Millionen Franken in den Büchern.
    Zwischendurch tauchen Gerüchte auf, dass Swisscom am Anteil der KPN an TelSource, dem Gemeinschaftsunternehmen, das 27 % der Cesky Telecom hält, interessiert sei. Swisscom dementiert umgehend und erklärt, dass man eigentlich aussteigen wolle - wenn der Preis stimmt. Die geplante Privatisierung der tschechischen Telekom, an der der Staat nach wie vor 51 % hält, findet auch 2003 nicht statt.

Swisscom Ende 2003
Swisscom Ende 2003
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debitel-Ausstieg
    Da offensichtlich die Strategie mit debitel gescheitert ist, entschliesst sich die Swisscom das Unternehmen zu verkaufen und erlöst dafür noch rund 900 Millionen Franken.
    Im Dezember gelingt dann auch noch der Verkauf der TelSource, dem Joint Venture von KPN und Swisscom, das 27 % an der Cesky Telecom hielt. Der Anteil von Swisscom am Verkaufserlös beträgt zum damaligen Umrechnungskurs rund 500 Millionen Franken.
    Zum Jahresabschluss 2003 kündigt Swisscom eine Dividende von 861 Millionen Franken und ein weiteres Aktienrückkaufprogramm im Umfang von etwa zwei Milliarden Franken an.

Interpellation
    Im Parlament kommt es am 3. Mai 2004 zur Interpellation von Pierre Kohler, in seinem eingereichten Text u. a. feststellt «...Mit der Operation Debitel hat die Swisscom somit 3,4 Milliarden Franken verloren. Während der Bundesrat mit Recht eine Sparpolitik betreiben will, müssen wir erstaunt feststellen, wie Gesellschaften, bei denen der Bund die Aktienmehrheit besitzt, Transaktionen abwickeln, ohne dass die Politik in irgendeiner Weise reagiert. In welchem demokratischen Land leben wir? Welche Kontrolle hat das Parlament und das Schweizervolk noch auf Finanzoperationen, die von Gesellschaften wie der Swisscom abgewickelt werden und deren Aktienmehrheit in schweizerischem Besitz ist?...»
    Kohler will wissen, ob der Bundesrat der Übernahme von Debitel durch die Swisscom im Jahre 1999 sowie dem Verkauf derselben Gesellschaft im Jahre 2004 für die oben genannten Summen zugestimmt hat? Ausserdem will er wissen, «...wofür das Parlament da ist, wenn die betreffenden Summen, d. h. mehr als eine Milliarde Franken, nicht mehr in seine Zuständigkeit fallen?»
    Der Bundesrat zieht sich bei seiner Antwort auf das TUG vom 30. April 1997 zurück, nachdem die Swisscom seit 1. Januar 1998 eine spezialgesetzliche eigenständige AG in den geöffneten Telekommarkt ist. Das Gesetz ziele auf die Schaffung von Führungsautonomie für die Unternehmung, die klare Trennung von politischen und unternehmerischen Entscheiden, die Ausbildung der Allianzfähigkeit und die Gestaltungsfreiheit bezüglich Dienstleistungen und Preisen.

Bundesrat will sich nicht zu sehr einmischen
    Dem Bundesrat stehen als Mittel der Steuerung die Möglichkeiten zur Verfügung, welche einem Hauptaktionär im Aktienrecht zukommen, also vor allem der Einfluss auf die Besetzung des Verwaltungsrates und die stimmenmässige Beherrschung der Generalversammlung.
    Und weiter «Der Hauptaktionär soll sich auf die grundsätzliche Ausrichtung beschränken und insbesondere die operative Führung der Unternehmung den dafür vorgesehenen Organen überlassen.» Eine Vertretung des Bundes im Verwaltungsrat der Swisscom AG sei im TUG nicht vorgesehen und die vom Bund in den Verwaltungsrat delegierten Vertreter hätten die gleichen Rechte und Pflichten wie die von der Generalversammlung gewählten.
    Der Entscheid im Sommer 1999, sich aus strategischen Überlegungen an debitel zu beteiligen, sei daher in der ausschliesslichen Kompetenz des Verwaltungsrates der Swisscom AG gelegen. Der Vertreter des Bundes im Verwaltungsrat habe - weil dieser Beschluss aber in Zusammenhang mit den strategischen Zielen des Bundes stand - den Eigner über die Absicht von Swisscom, sich in Deutschland via debitel um eine UMTS-Lizenz zu bewerben, orientiert. Die Vertreter des Bundesrates hatten aus ihrer Sicht angesichts der damaligen Marktsituation keine Veranlassung, eine Intervention des Bundesvertreters im Verwaltungsrat der Swisscom AG zu fordern.
    Nach einer ausführlichen Erklärung über die Problemwelle in der Phase der «New Economy» stellt der Bundesrat fest, dass die Swisscom in diesem Zusammenhang weniger Fehler gemacht hat als viele ihrer Konkurrenten. Deshalb stehe sie heute finanziell klar besser da als manche Wettbewerber, die auch vier Jahre nach dem Platzen der Telecom-Blase mit dem Schuldenabbau beschäftigt sind. Daher wolle der Bundesrat auch an der gesetzlichen Ordnung, die sich in der Praxis insgesamt bewährt habe, nichts ändern.

Swisscom Ende 2004
Swisscom Ende 2004
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Österreich-Gerüchte & Infonet-Verkauf
    Vor allem im Sommer schwirren Gerüchte, dass Swisscom die Telekom Austria kaufen will. Diese Absicht wird später bestätigt. Die Unternehmen selbst kommen sich recht nahe, doch scheitert die Übernahme schussendlich an politischen Widerständen in Wien.
    Im November 2004 verkauft Swisscom die seit 1989 bestehende Beteiligung an Infonet der British Telecom (BT). Die Swisscom erhält für ihre 17,7 Prozent 170 Millionen Dollar (damals etwa 201 Millionen Franken). Mit der Swisscom verkaufen auch KPN, Telefónica, Telstra, Telia Sonera und KDDI ihre Infonet-Anteile an BT.
    Zum Jahresabschluss 2004 erklärt die Swisscom, dass man für die nachhaltige Entwicklung des Kerngeschäfts in der Schweiz keine Akquisitionen im Ausland benötige, aber dennoch Ausschau nach Möglichkeiten zur Entwicklung und Wertsteigerung des Unternehmens halte - auch ausserhalb der Landesgrenzen.
    Abgesehen von der gewohnten Dividende (861 Millionen) wird Swisscom auch diesmal die Überschüsse des Jahres für ein Aktienrückkaufprogramm im Umfang von zwei Milliarden Franken nutzen, was dem Bund durchaus recht kommt.
    Swisscom ist per Jahresende - abgesehen vom WLAN-Anbieter Swisscom Eurospot, der inzwischen in zehn Ländern aktiv ist - nirgends mehr im Ausland vertreten, da auch der Anteil an der Telecom FL verkauft worden ist. Eine ideale Gelegenheit für die Eigentümervertreter der Swisscom eine rein nationale Politik ohne Auslandsinvestitionen zu verordnen. Offensichtlich ist man im Bundesrat am Jahresende 2004 nicht daran interessiert, der Swisscom Auslandsengagements zu untersagen.

2005 - Jahr der Entscheidung?
    Im Februar vereinbaren Belgacom und Swisscom Fixnet die Vereinigung ihrer internationalen Carrier-Dienste im neuen Unternehmen BICS (Belgacom International Carrier Services), das dann auch im Sommer der Betrieb aufnimmt. BICS gehört zu 28 % der Swisscom und zu 72 % den Belgiern. Das Unternehmen nimmt seinen Sitz in Brüssel, hat aber auch Büros in Bern, Dubai, New York und Singapur.

Expansion in Tschechien scheitert
    In Tschechien hat sich die Regierung endgültig zur Privatisierung der Cesky Telecom entschlossen und auf Grund der Ausschreibung vier verbindliche Übernahmeangebote erhalten. Bewerber sind Belgacom, Swisscom, Telefónica und ein Konsortium von Finanzinvestoren, das auch die France Télécom im Boot hat. Der tschechische Steuerungsausschuss gab dann Ende März bekannt, dass er der tschechischen Regierung empfehle, Telefónica, die das höchste Angebot abgegeben habe, den Zuschlag zu erteilen. Die Swisscom ist nicht bereit nachzulegen und erklärt, dass ihr Angebot dem maximalen Kaufpreis entspreche, der aus Sicht der Swisscom-Aktionäre gerechtfertigt werden kann.

Fernsehen in Ungarn
    Das nächste Akquisitionsziel der Swisscom wurde dann im Juli Antenna Hungaria. Man schickte die Swisscom Broadcast AG ins Rennen um den Mehrheitsanteil des Eigentumsfonds der ungarischen Regierung an Antenna Hungária Rt. Erklärt wurde dazu, dass die Swisscom Broadcast AG über Innovationen im Schweizer Kerngeschäft und gezielte Zukäufe im Ausland wachsen will. Das Akquisitionsziel sei im analogen Geschäft für Radio- und Fernsehverbreitung gut positioniert und habe somit eine gute Ausgangslage, um bei der Migration zum digitalen Broadcasting in Ungarn eine führende Rolle zu spielen, wobei man das breite Know-how von Swisscom Broadcast in diesem Bereich hervorhob. Dieser Versuch war erfolgreich und im Oktober konnte Swisscom die Übernahme von Antenna Hungária abschliessen. Um 293 Millionen Franken erhielt man 75 % plus einer Aktie der Antenna Hungária Rt. Für die Swisscom war mit diesem Kauf der «erste Schritt ins internationale Broadcasting-Geschäft geglückt» und man wollte sich nach weiteren Akquisitionsmöglichkeiten in Europa umsehen.

Übernahmegerüchte
    Die internationale Presse brachte Swisscom Anfang November mit zwei Unternehmen in Zusammenhang, die zum Kauf anstehen. In Irland sagte man Swisscom Gespräche mit dem ehemaligen Monopolisten Eircom nach und in Dänemark mit dem dortigen Ex-Staatsbetrieb TDC, dem pikanter Weise, 100 % des Swisscom-Konkurrenten sunrise gehören. Swisscom bestätigte bald, dass Gespräche mit Eircom laufen.
    Nachdem Swisscom die Gespräche mit Eircom betätigt hatte, begann die Gerüchteküche erst recht zu brodeln. Die Swisscom sei bereits dabei, die Bücher von TDC zu prüfen und wenn dieses Ergebnis nicht gefalle, werde Swisscom eben die niederländische KPN kaufen. Die Sonntagszeitung zählte alle Pläne auf und errechnete, dass bei Durchführung aller die Swisscom, die ja praktisch schuldenfrei ist, sich mit 22 Milliarden Franken verschulden müsste. In der «NZZ am Sonntag» gab es ähnliches zu lesen, nur dass hier statt der KPN die Telekom Austria ins Gespräch gebracht wurde. Die Swisscom schwieg.

Die Kindesweglegung
    Der 24. November änderte alles. Während sich die NetzwocheTicker-News noch fragten «Braucht Swisscom Kapital von Investoren für TDC-Übernahme?» und sich dabei auf einen Artikel im Wall Street Journal vom gleichen Tag bezog, war im Bundesrat längst eine andere Entscheidung gefallen: Die Beteiligung an Swisscom soll verkauft werden. Finanzminister Hans-Rudolf Merz wurde beauftragt, unverzüglich die Voraussetzungen für den Verkauf der Bundesbeteiligung zu schaffen. Merz erklärte dazu: «Der Bund ist offensichtlich nicht mehr der richtige Aktionär für die Swisscom» und meinte auch, dass die im Telekommarkt grosse Risiken eingehen müsse und auch ihre Allianzfähigkeit verbessern können. Ein eher seltsames Argument war dann aus unserer Sicht, dass bei Auslandengagements die Gefahr bestehe, dass sich der Protest von Angestellten dann gegen die Schweiz richte. Aus den genannten und weiteren Gründe will sich der Bundesrat von «der Fessel des Swisscom-Engagements» befreien. Wegen der Grundvesorgung habe der Bundesrat keine Bedenken, denn die würde über das Gesetz und nicht über die Beteiligung sichergestellt.
    Der Bundesrat werde eine Revision des TUG ausarbeiten in der die bisherige Bestimmung, wonach der Bund die kapital- und stimmenmässige Mehrheit an der Swisscom haben muss, nicht mehr enthalten ist. Schon vor der anvisierten Gesetzesänderung will der Bundesrat seinen Anteil von gegenwärtig 66,1 Prozent an der Swisscom auf 50 Prozent (+ 1 Aktie, wegen der gesetzlich geforderten Mehrheit) reduzieren, was nach dem gültigen TUG ja möglich ist.
    Das EFD legte auch noch ein vierseitiges Faktenblatt zur Swisscom vor, in dem die aktuelle Situation dargestellt ist. So lautet etwa Artikel 6 des TUG:
    1 Der Bund ist Aktionär der Unternehmung und muss die kapital- und stimmenmässige Mehrheit halten.
    2 Die Veräusserung von Beteiligungspapieren an Dritte und die Zeichnung von Beteiligungspapieren durch Dritte erfolgen im Rahmen von Absatz 1 nach den Vorschriften des Aktienrechts.
    3 Der Bundesrat legt für jeweils vier Jahre fest, welche Ziele der Bund als Hauptaktionär der Unternehmung erreichen will.
    Es werden auch staatliche Beteiligung im europäischen Vergleich dargestellt:
    «Vor mehrheitlicher Übernahme sind neben Swisscom heute noch Telekom Slovenjie (Staatsanteil >75%), die schwedisch-finnische TeliaSonera (59%), die norwegische Telenor (54%) und Belgacom (50%) geschützt. Bei Deutsche Telekom (37%), France Telecom (33%), Telekom Austria (30%) sowie der griechischen OTE (38%) halten die Regierungen Sperrminoritäten, wobei potentielle Investoren eine 50%-Mehrheit erwerben können, ohne dass dies durch die Regierungen verhindert werden kann».

SGB reagiert wütend
    Der SGB reagierte erwartungsgemäss gegen die Privatisierung: «Man verkauft nicht das Huhn, das goldene Eier legt» und «Sollte der Bundesrat mit der heute veröffentlichten Absicht, die Beteiligung des Bundes an der Swisscom abzugeben, beim Parlament durchkommen, dann muss der SGB dies per Referendum bekämpfen». Ganz generell wirft der SGB dem Bundesrat vor, den «alten Nachtwächterstaat» vor Augen zu haben und eine Argumentation zu führen, die «wie ein Schneemann» sei: Im Lichte der Wirklichkeit zerrinne sie zu reiner Ideologie.
    Der SGB fragt auch, wo das behauptete «finanzielle Klumpenrisiko» eines «dynamischen Betriebes in einem dynamischen Markt» ist, wo die «Mehrheitsbeteiligung des Bundes den unternehmerischen Handlungsspielraum oder den Wettbewerb bis jetzt eingeschränkt» hat und wundert sich «Wie kann ein Finanzminister eine Firma verkaufen wollen, die jährlich rund 1,2 Milliarden Franken in seine Kasse spült?», um schliesslich die Absicht des Bundesrates für kurzsichtig, falsch und rein ideologisch zu erklären.

Internationale Reaktionen
    Sehr weit verbreitet sind die internationalen Reaktionen nicht, aber immerhin lässt sich Dan Bieler, Forschungsdirektor von Ovum, zu einem kurzen Kommentar hinreissen und erklärt, dass die in der Schweiz geführte Diskussion nicht grundlegend neu ist. Was neu sei, ist die Diskussion über eine Änderung des Gesetzes, die es erlauben würde, die Bundesbeteiligung unter 50 % abzusenken. Unter Berufung auf andere Markbeobachter meint er, dass die Swisscom es längst müde sein könnte, vor jeder grösseren Entscheidung die Regierung konsultieren zu müssen. Bieler meint, dass das zwar so sein könnte, aber die Aussicht darauf, mit einigen kleineren und agressiveren Aktionären verhandeln zu müssen, könne noch weit weniger attraktiv sein.
    Vielleicht sei Swisscom in der Vergangenheit bei Übernahmeaktivitäten zu konservativ gewesen, obwohl sie das auch vor den Exzessen der Boomjahre bewahrt habe. Anderseits wären die Gespräche bezüglich Telekom Austria und Cesky Telecom mit anderen Eigner anders ausgegangen und hätten vielleicht den Wert der Aktie erhöht. Bei Ovum glaube man das aber eigentlich nicht, denn Swisscom habe sich in den letzten zwei Jahren deutlich besser entwickelt als starke Zukäufer wie Télécom oder Vodafone.
    Kurzfristige Überlegungen seien ohnehin fehl am Platz, denn die Änderung des Gesetzes sei eine langwierige Prozedur, die wahrscheinlich auch noch mit einem Referendum verbunden sein werde, weil sowohl die Sozialdemokraten als auch die grösste Gewerkschaft bereits ihre Opposition zu diesem Plan geäussert haben. Die Verhandlungen mit Eircom oder TDC seien daher von den Absichten der Regierung keineswegs betroffen.
    Mittelfristig erwartet Bieler eine Reduktion des Staatsanteils auf die erlaubten 50 %, langfristig werde der Staat wohl kaum an seinem Anteil festhalten. Aber, so Bieler «langfristig» ist in Bern sicher länger als in der City of London oder an der Wall Street.

Swisscom Ende 2005
Swisscom Ende 2005
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Auslandsaktivitäten verboten
    Inzwischen erfährt man, dass der Bundesrat seinen Vertreter im Verwaltungsrat der Swisscom angewiesen hat, gegen Auslandsbeteiligungen zu votieren. Auf Grund der staatlichen Mehrheit von 66,1 % kommt das einem Verbot jedes Auslandsengagements gleich.
    Swisscom reagiert scheinbar gelassen und lässt am 25. November mitteilen: «Die Swisscom AG nimmt zur Kenntnis, dass der Bundesrat seinen Vertreter im Verwaltungsrat angewiesen hat, gegen einen allfälligen Beteiligungserwerb von Swisscom im Ausland zu stimmen und sich für eine Ausschüttung der freien Eigenmittel an die Eigenkapitalgeber einzusetzen. Der Verwaltungsrat der Swisscom AG wird die Vorschläge des Staatsvertreters zusammen mit allen anderen zur genannten Thematik anstehenden unternehmerischen, finanziellen und rechtlichen Fragen im Rahmen seiner ordnungsgemässen Entscheidfindung prüfen.
    Die Instruktion des Bundesvertreters entlastet weder Verwaltungsrat noch Geschäftsleitung von ihrer gesetzlichen Pflicht, ihre Funktionen im Interesse des Unternehmens und sämtlicher Aktionäre eigenverantwortlich wahrzunehmen.»
    Indes verteidigt Finanzminister Merz das Regierungsverbot von Auslandszukäufen der Swisscom und erklärt gegenüber der Zeitung «Finanz und Wirtschaft»: «Im Interesse der Steuerzahler muss der Bund eine sehr vorsichtige Haltung einnehmen. Der Bundesrat als Hauptaktionär kann und will die Risiken, die Auslandengagements mit sich bringen, nicht mittragen», deshalb müsse der Bund sehr vorsichtig sein, umso mehr, als die Beteiligung an der Swisscom mit einem Wert von 17 Milliarden Franken zu den grossen Vermögenswerten des Bundes zähle.

Ähnlichkeiten mit Swissair?
    In einem Interview mit Radio DRS vergleich Bundesrat Christoph Blocher die Swisscom mit der Swissair, das sei genau der gleiche Fall gewesen: Eine gute, hochqualitative Gesellschaft, mit ein wenig Monopolcharakter und Geld. Als der Konkurrenzdruck stieg, habe die Swissair ausländische Gesellschaften gekauft und am Schluss sei die Pleite gestanden. «Stellen Sie sich vor, wenn die für zwanzig Milliarden etwas kaufen und es geht schief. Da will ich dann die Schweizer sehen, die zahlen wollen. Ich bin froh, wenn es eine Volksabstimmung gibt.»

Pressestimmen
    Natürlich nehmen sich auch die Tageszeitungen des Themas an.
    Im Tagesanzeiger meinte Annetta Bundi unter dem Titel «Bundesrat verpatzt den optimalen Ausstieg aus der Swisscom» am 29. November, dass der Bundesrat noch vor fünf Jahren, gestützt auf einen Bericht der Beratungsfirma Mercer festhielt, dass man durch eine intelligente Ausstiegsstrategie den Wertanteil des Bundes maximieren und gleichzeitig der Swisscom die notwendige Flexibilität einräumen könnte. Diese Chance habe der Bundesrat jetzt verpasst. Die ursprünglich skizzierte Ausstiegsstrategie habe die Anleger zwar überzeugt, das nachgeschobene Veto gegen allfällige Auslandbeteiligungen die Märkte jedoch stark verunsichert. Das 17-Milliarden-Paket des Bundes, das zu seinen besten Zeiten 35 Milliarden eingebracht hätte, habe in den letzten Tagen rasant an Wert verloren.
    In der Basler Zeitung las man am gleichen Tag, dass die Swisscom-Aktie ist am Dienstagmorgen weiter auf Talfahrt geblieben ist und dass die Zürcher Kantonalbank (ZKB) eine Fusion von Swisscom und Austria Telekom anrege. Unter Berufung auf den ZKB-Finanzanalysten Serge Rotzer wird berichtet, dass die Akquisition der irischen Eircom und der dänischen TDC durch die Swisscom zwar vom Tisch sei, ein Totalverkauf der Bundesmehrheit von 66 Prozent, wie von Bundesrat Christoph Blocher befürwortet, innert Jahresfrist, würde aber einen grossen Aktienüberhang und eine Beeinträchtigung des Aktienkurses ergeben. Rotzer meint auch, dass aber bei einem Schnellverfahren das Timing gut für einen Zusammenschluss der Swisscom mit der Telekom Austria passen würde, denn ein solcher «Merger of Equals» würde von den Finanzmärkten begrüsst und eher positiv auf den Wert der zu verkaufenden Staatsanteile der Schweizer und der Österreicher wirken. Zudem erhielte das neue Gebilde eine Grösse, um nicht selber zum Übernahmeobjekt zu werden.
    In der Aargauer Zeitung verteidigt Bundesrat Pascal Couchepin den Kurswechsel der Landesregierung bei den Swisscom-Auslandengagements. Die von der Swisscom ins Visier genommene Eirecom sei zu teuer. Zudem seien deren Perspektiven schlecht. Nach Couchepins Ansicht sei auch der Preis der dänischen TDC zu hoch und erinnerte daran, dass die Swisscom bereits mit der deutschen debitel 3,3 Mrd. Fr. in den Sand gesetzt habe.
    Die NZZ kommentiert am 30.11. unter dem Titel «Kontraste zur bisherigen Praxis und Wahrnehmung» folgendermassen: «Der buchstäbliche Schock über die plötzliche Einmischung der Regierung als Mehrheitsaktionärin in die Auslandexpansion der Swisscom gründet in der bisherigen Lethargie des Bundesrates gegenüber dem unternehmerischen Verhalten dieses halbprivaten Staatsbetriebes und in der überraschenden Ankündigung eines Verkaufs» und setzt fort, dass der eigentlich Schock von der am nächsten Tag nachgeschobene Erklärung ausgelöst wurde, die Auslandexpansionspläne des Unternehmens zu blockieren. Der Kommentar führt weiter aus, dass der Bund seit der Entstehung der Swisscom aus der Telecom PTT genügend Gelegenheit gehabt hätte, seine Verantwortung wahrzunehmen und den Steuerzahler vor kostspieligen Risiken zu bewahren.
    Nach einem historischen Exkurs über die Beteiligungen der Swisscom kommt dann der «akquisitorische Sündenfall par excellence», der Erwerb der debitel 1999, zur Diskussion. Hier habe der Bundesrat sogar explizit die Teilnahme der Swisscom bzw. debitel an der deutschen UMTS-Auktion unterstützt. Dann erinnert die NZZ an den Verkauf der debitel und den letzlich erfolglosen Versuch die Telekom Austria zu erwerben. Finanzminister Merz habe erst nach dem Platzen der Verhandlungen in Interviews gemeint, der Bund sollte seine Mehrheit an der Swisscom abgeben und die Swisscom als Klumpenrisiko für den Bund bezeichnet. Er habe damals richtig gemeint, dass es wenig Sinn ergebe, ein im Wettbewerb stehendes Unternehmen durch politische Organe führen zu wollen. Schliesslich meint die NTT «Hätte der Bundesrat seine Verantwortung schon viel früher und spätestens seit dem Platzen der 'Austria-Blase' wahrgenommen und seine Erkenntnis auch kommunikatorisch professionell umgesetzt, wäre den Kleinaktionären und der politischen Öffentlichkeit der Schock von Anfang der Woche erspart geblieben.»

Analyse und Druckerhöhung
    Während die Swisscom noch intern analysiert, scheinen unterschiedliche Stellungnahmen der Bundesräte Meinungsverschiedenheiten in der Regierung anzudeuten. Von Bundesrat Moritz Leuenberger schien es zu heissen, dass es durchaus möglich wäre, eine Kompromisslösung zu finden und die neuen Auslandrichtlinien müssten nun zusammen mit der Swisscom-Führung erst konkretisiert werden. Dieweil erklärte Bundesrat Christoph Blocher im Fernsehen, dass Swissom-Chef Jens Alder oder der Verwaltungsrat eben zurücktreten werden, wenn sie die Swisscom nur mit einer expansiven Auslandstrategie führen können.

Reduziertes Auslandsverbot
    Am 2. Dezember wird das Ausland-Expansionsverbot des Bundesrates konkretisiert. Er will es so verstanden wissen, dass die Swisscom sich nicht an Grundversorgern im Ausland beteiligen darf. Laut Bundesrat Hans-Rudolf Merz habe der Swisscom-Verwaltungsrat nicht auf das vom Bundesrat verkündete Expansionsverbot eintreten wollen, weil dieses den geltenden strategischen Zielen für das Unternehmen widerspreche, nicht ausreichend begründet sei und einen Eingriff in die Kompetenz des Unternehmens darstelle.

Was nun?
    Die «klärenden» Worte des Bundesrates werden offensichtlich nicht überall verstanden. Im Tages-Anzeiger wird der Telekomexperte der Bank Vontobel, Panagiotis Spiliopoulos, zitiert: «Swisscom wird vermutlich zur Kompensation auch mehrere Akquistionen tätigen wollen» und meinte, dass das die die operativen Risiken multipliziere während die die finanziellen Folgen überblickbarer geworden seien.
    «Finanz und Wirtschaft» befragt den Telekomexperten bei der Bank Sal. Oppenheim, Frank Rothauge, der meinte, dass es Swisscom schwer haben werde, aus sich heraus Wachstum zu erzielen, weshalb nur der Weg ins Ausland bleibe - und der scheine zumindest sehr deutlich eingeschränkt zu sein. Laut Rothauge sei ein fast gänzliches Verbot von Auslandengagements kaum im Interesse der Swisscom-Investoren. Es sei im Endeffekt eine ziemlich dumme Geschichte, denn die Schweizer Regierung habe vor einem Verkauf erst einmal den Wert ihrer Beteiligung eingeschränkt.

Swisscom-Führung reagiert
    In einem Mediengespräch am 5. Dezember tritt die Führung der Swisscom erstmals seit Ausbruch der Diskussion vor die Öffentlichkeit. Die deutliche Frustration ist erkennbar, aber auch ein gewisser Kampfeswille ist zu spüren. Nein, man werde nicht zurücktreten, erst müsse die neue Strategie erarbeitet werden sind sich Vorstand und Verwaltungsrat einig. Swisscom-Präsident Rauh zeigte sich enttäuscht und konsterniert, dass die Swisscom, die dem Bund in den letzten Jahren 10 Milliarden Franken in die Kasse gespült habe, über Nacht als «bedrohliche Altlast und zukunftsloses Klumpenrisiko» bezeichnet worden sei.
    Swisscom-CEO Jens Alder meinte, dass der Konzern im internationalen Kontext Boden verloren habe: «Im Moment hat die Swisscom die Gelegenheit vepasst eine ausländische Firma zu kaufen. Dafür haben wir ein Jahr gearbeitet». Alder deutete an, dass er seine Stellung im Unternehmen nur so lange behalten werde, bis die neue Strategie gegriffen hat, «Dann werden wir weiter sehen».
    Der Verwaltungsrat geht davon aus, dass der Bundesrat bis Ende 2005 die für 2006 bis 2009 geltenden strategischen Ziele des Hauptaktionärs für Swisscom verabschieden wird. Die Gespräche mit Eircom habe man abgebrochen.
    Einig sind sich die Vertreter der Swisscom, dass die öffentliche Kontroverse der vergangenen Tage zu einer grossen Verunsicherung bei Aktionären, Kunden und Mitarbeitenden geführt habe. Nun versuche man in Gesprächen mit Vertretern des Bundes eine Klärung der Haltung des Bundes zu den Fragen Mehrheitsbeteiligung des Bundes an Swisscom, Ambitionen im Ausland und Ausschüttungspolitik zu erreichen.
    Nachdem der Bundesrat seine geänderten Vorstellungen betreffend Swisscom konkretisiert hat, will der Swisscom-Verwaltungsrat diese Ziele des Bundes eingehend prüfen und gestützt darauf eine neue Strategie für die Swisscom erarbeiten. Und wörtlich: «Verwaltungsrat und Geschäftsleitung von Swisscom haben vereinbart, bis zu diesem Zeitpunkt keine ihre eigene Person betreffenden personellen Entscheide vorzunehmen.»
    Die Swisscom glaubt, dass die vom Bundesrat zu veröffentlichenden strategischen Ziele für Swisscom 2006 bis 2009 «zwingend präzise Aussagen enthalten müssen, insbesondere in Bezug auf die Konformität mit dem Telekommunikationsunternehmungsgesetz, die Auslandstrategie, die Ausschüttungsstrategie, den Privatisierungsprozess (in Optionen), die Konsequenzen einer Instruktion des Staatsvertreters (Haftungs- und Sanktionsfragen), die Kommunikation zwischen Bundesrat und Swisscom und die unveränderbare Gültigkeit dieser strategischen Ziele während der vierjährigen Dauer.
    Bei einem möglichen Abbau der Bundesbeteiligung ist für Swisscom zwingend, dass Beteiligungsanteil und Rechte im Sinne des Aktienrechts übereinstimmen, d. h. dem Bund keine Sonderrechte vor anderen Aktionären vorbehalten werden. Swisscom wird ihre Haltung zur Frage der Privatisierung nach der Verabschiedung der neuen strategischen Ziele überprüfen.»
    Bezüglich der Ausschüttungspolitik weist Swisscom darauf hin, dass man seit dem Börsengang 1998 inklusive Ausschüttung 2005 insgesamt fast 16 Milliarden Franken an die Aktionäre ausgeschüttet habe. Die maximale Höhe der Ausschüttungen sei durch die freien Reserven der Swisscom AG begrenzt, die zurzeit bei rund drei Milliarden liegen. Zudem schliesse das Schweizer Aktienrecht Zahlungen an die Aktionäre aus, die über den in der Bilanz ausgewiesenen Gewinnrücklagen liegen.

Alder in der IHT
    Zusätzlich meldet sich Konzernchef Jens Alder in der International Herald Tribune mit einem Interview, das dann auch swissinfo verbreitete und meint, dass die Swisscom in den letzten Tagen einen «erheblichen Schaden» erlitten habe, vor allem was die Glaubwürdigkeit als Geschäftspartner betrifft und Wachstum sei für den Fortbestand desUnternehmens unumgänglich. Wenn man in den nächsten vier Jahren nicht ins Ausland expandiere, könne man die Position in der Schweiz nicht halten. Für ihn sei es aber klar, dass es seine Verantwortung sei, zu bleiben, «bis das Schiff auf den neuen Kurs gebracht worden ist. Dann werden wir weiter sehen.»

Politische Reaktionen
    Natürlich mussten die Parteien reagieren. Zusammengefasst sehen diese Reaktionen wie folgt aus:
    Die CVP (Christlich-Demokratische Volkspartei) verhielt sich relativ neutral und hätte sich eine gemeinsame Information durch Regierung und Swisscom-Führung über die konkrete Umsetzung der Entscheide gewünscht.
    Die FDP (Freisinnige) sieht durch die Ereignisse den Weg zu Befreiung der Swisscom aus politischen Fesseln eröffnet.
    Die Grünen forderten eine dringliche Sitzung der Geschäftsprüfungskommission (GPK) um die Vorgänge zu klären und wünscht sich eine Untersuchung der Rolle, die Bundesrat Christoph Blocher gespielt habe.
    Die Sozialdemokraten wollen den Privatisierungs-Entscheid im Parlament möglichst schnell rückgängig machen und wenn das nicht möglich sei auf eine Volksabstimmung setzen.
    Die SVP (Schweizerischen Volkspartei) erklärte einfach: «Wer zahlt, befiehlt».
    Die Meinungsumfrage, die das LINK-Institut für Markt- und Sozialforschung (Luzern) im Auftrag der «Coopzeitung» durchführte, zeigt, dass 50 Prozent der Schweizer gegen die Swisscom-Privatisierung sind, während sie 32 % für gut halten.

Ständerat wird neugierig
    Am 13. Dezember nimmt der Ständerat die Debatte zur Swisscom auf, weil Philipp Stähelin (CVP/TG) mit einer dringlichen Interpellation Auskunft über die weiteren strategischen Ziele für die Swisscom verlangt. Der Bundesrat hatte quasi vorsorglich bereits am Tag davor geantwortet und versprochen, die Aufgabe der Mehrheitsbeteiligung rasch zu klären. Stähelin war mit der Antwort nicht zufrieden, weil er Kürze zwar durchaus schätze, aber Kürze nicht zu formelhaftem Überspielen der konkret gestellten Fragen führen dürfe. «Strebt der Bundesrat tatsächlich die vollständige Abtretung seiner Beteiligung an, so ist die Übernahme durch ein anderes Telekommunikationsunternehmen, und wohl eher ein ausländisches, mehr als absehbar. Will das der Bundesrat?» fragte Stähelin. Dagegen beglückwünschte Maximilian Reimann (SVP/AG) den Bundesrat zu seiner Intervention und vermeinte Verwaltungsrat und Konzernleitung der Swisscom rügen zu müssen: «Insbesondere die Rundumschläge des Herrn Verwaltungsratspräsidenten waren völlig deplatziert. Nur gut, dass die Amtszeit dieses Herrn alsbald ausläuft. Sonst müsste ich auch als Swisscom-Kleinaktionär noch andere Töne anschlagen». Für Anita Fetz (SP/BS) gleicht die Bundesratspolitik rund um Swisscom einem umgekehrten Adventskalender: Jeden Tag gehe ein anderes Türchen auf, aber jeden Tag sei es ein Türchen mit negativen Überraschungen und dazu zählte sie auch die Antwort auf die Interpellation Stähelins.
    Interessant die Wortmeldung von This Jenny (SVP/GL): Alle sieben Bundesräte verstehen nichts vom Geschäft der Swisscom, dennoch sei der Staat mit 66 Prozent beteiligt - das könne nicht gut gehen.

Nationalrat interpelliert
    Am 14. Dezember befasste sich dann der Nationalrat in der elften Sitzung der Wintersession 2005 mit der Causa. Die Sitzung war durch eine Reihe von dringlichen Interpellationen gekennzeichnet:

FraktionSchlagwort(e) der Interpellation
SP:Swisscom
CVP:Verwirrende Kommunikation des Bundesrates betreffend die Swisscom AG
EVP/EDU:  Swisscom nicht verkaufen
SVPSwisscom darf kein zweiter Fall Swissair werden
FDPSwisscom-Politik des Bundesrates. Befreiungsschlag?
Grüne:Wie weiter mit der Swisscom?

    Die Debatte hier wiederzugeben wäre wohl etwas zu umfangreich, um so mehr als sie einerseits vollumfänglich auf der Internetseite des Parlamentes zu finden ist (http://www.parlament.ch/ab/frameset/d/n/4710/213063/d_n_4710_213063_213170.htm) und andererseits eigentlich keine neuen Argumente in die Debatte gebracht wurden.

Nationalrat prüft
    Nun soll eine «Subkommission Swisscom» der Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Nationalrates Licht in die Ereignisse rund um Bundesrat und Swisscom bringen. Vorerst will man unter der Leitung von Nationalrat Christian Waber (EDU) rekonstruieren, wie es zur Entscheidung des Bundesrates kam. Dann will man die rechtlichen Fragen klären und die Kommunikation des Bundesrates untersuchen. Der Auftrag der Kommission soll bis zum 28. März 2006 erfüllt sein.
    Wie Schweizer Nachrichtendienste melden, haben am 15. Dezember sechs von sieben Mitglieder der nationalrätlichen Geschäftsprüfungskommission die Sitzung zur Swisscom unter Protest verlassen, weil sie mit ihrem Antrag gescheitert waren, Hugo Fasel die Sitzungsleitung zu entziehen. Für SVP-Sprecher Roman Jäggi war Fasel befangen, weil er in der Sonntagspresse Bundesrat Christoph Blocher vorverurteilt habe.
    Die GPK des Nationalrates besteht aus Kurt Wasserfallen (FDP, BE) als Präsident und Pierre-François Veillon (UDC, VD) als Vize-Präsident.
    Weitere Mitglieder sind Serge Beck (PLS, VD), Max Binder (SVP, ZH), Toni Brunner (SVP, SG), Sep Cathomas (CVP, GR), André Daguet (SP, BE), Hugo Fasel (G, FR), Brigitta M. Gadient (SVP, GR), Jean-Paul Glasson (PRD, FR), Walter Glur (SVP, AG), Edith Graf-Litscher (SP, TG), Josy Gyr-Steiner (SP, SZ), Brigitte Häberli-Koller (CVP, TG), Claude Janiak (SP, BL), Hans Ulrich Mathys (SVP, AG), Lucrezia Meier-Schatz (CVP, SG), Geri Müller (GPS, AG), Ruedi Noser (FDP, ZH), Fritz Abraham Oehrli (SVP, BE), Fabio Pedrina (PSS, TI), Kathy Riklin (CVP, ZH), Stéphane Rossini (PSS, VS), Maria Roth-Bernasconi (PSS, GE), Christian Waber (EDU, BE).
    Die GPK wird in ständige Subkommissionen mit den sieben eidgenössischen Departementen, der Bundeskanzlei und den eidgenössischen Gerichten als Sachbereichen unterteilt, die in Allgemeinen Subkommissionen im Auftrag der GPK die eigentliche Untersuchungstätigkeit durchführen. Zuweilen werden Ad-hoc-Arbeitsgruppen zur Prüfung eines bestimmten Gegenstandes gebildet.
    Die Ad-hoc-Arbeitsgruppe «Subkommission Swisscom» hat Christian Waber (EDU, BE) als Präsidenten. Die Vertreter der anderen Parteien sind:
    CVP: Lucrezia Meier-Schatz (SG)
    FDP: Kurt Wasserfallen (FDP, BE)
    Grüne: Hugo Fasel (FR)
    SP: Edith Graf-Litscher (TG)
    SVP: vakant.

Vorweihnachtliches
    Am 20. Dezember 2005 teilte die Swisscom mit, dass sie das diesjährige Aktienrückkaufprogramm erfolgreich abgeschlossen hat. Insgesamt wurden 4.764.200 Namenaktien (7,75% des Aktienkapitals) zurückgekauft. Der Rückkauf kostete rund zwei Milliarden Franken, die zusätzlich zu den Dividendenzahlungen von 861 Millionen den Aktionären zuflossen.
    Laut EFD hat der Bund im laufenden Jahr Swisscom-Aktien im Wert von 1,35 Milliarden Franken verkauft. Dadurch und durch die Wandlung einer Anleihe sinkt die Bundesbeteiligung an der Swisscom von 66,1 auf 62,45 Prozent. Das EFD legte Wert darauf, dass der Aktienverkauf nichts mit der geplanten Privatisierung der Swisscom zu tun habe.
    Am gleichen Tag teilte die Weko (Wettbewerbskommission) mit, dass sie am 19. Dezember 2005 entschieden habe, die Übernahme der Cybernet (Schweiz) AG durch Swisscom Fixnet AG (Swisscom) einer «vertieften Prüfung» zu unterziehen, weil die Vorprüfung Anhaltspunkte ergeben habe, dass der geplante Erwerb zu einer marktbeherrschenden Stellung im Bereich der Breitbandinternetdienste führen könnte.

Der Bundesrat entscheidet
    Drei Tage vor Weihnachten, am 21. Dezember 2005, verabschiedete der Bundesrat die strategischen Ziele für die Swisscom 2006 - 2009. Diese Festlegung erfolgt laut TUG für jeweils vier Jahre und soll die Ziele des Bundes als Hauptaktionär des Unternehmens definieren. Diese strategischen Ziele geben der Swisscom den Rahmen für die eigene Unternehmensstrategie, die von der Geschäftsleitung erarbeitet und vom Verwaltungsrat beschlossen wird.
    Der Bundesrat stellte eingangs der Vorstellung der Eckwerte für die Ausarbeitung der Vernehmlassungsvorlage fest, dass aus verfassungsrechtlicher Sicht der Abgabe der Mehrheit an Swisscom nichts entgegen steht. Die Vernehmlassungsvorlage soll Ende Januar 2006 vom Bundesrat verabschiedet werden.
    Der Bundesrat stellt fest, dass das Telekommunikationsunternehmensgesetz TUG angepasst werden muss, damit der Bund seine Beteiligung an der Swisscom unter 50% reduzieren kann. Demnach müsse das Parlament - und im Falle eines Referendums auch das Volk - in jedem Fall entscheiden, ob es im Grundsatz für oder gegen die Abgabe der Bundesmehrheit an Swisscom Stellung bezieht. Weil diesem Vorgehen gemäss einem Gutachten des Bundesamts für Justiz aus verfassungsrechtlicher Sicht nichts entgegenstehe, verzichtet der Bundesrat auf die Ausarbeitung einer Verfassungsbestimmung.
    Der Bundesrat will auch flankierende Massnahmen zur Gewährleistung der Grundversorgung und zur Wahrung der Eigenständigkeit der Swisscom unterbreiten, meint aber, dass solche Massnahmen sowohl gesetzestechnisch wie auch später im Vollzug einfach umsetzbar sein müssen. Zudem sollen die finanziellen und technologischen Risiken für den Bund möglichst gering gehalten werden und keine aktienrechtlichen Sonderlösungen getroffen werden. Ausserdem dürfen die Massnahmen den Interessen der Swisscom nicht entgegen stehen.
    Aus Sicht des Bundesrats ist die Grundversorgung schon heute hinreichend gesichert. Sie wird im Fernmeldegesetz (FMG) geregelt. Die Grundversorgungskonzession muss gemäss FMG alle fünf Jahre ausgeschrieben werden. Jetzige Grundversorgungskonzessionärin ist die Swisscom Fixnet AG bis 31. Dezember 2007.
    Laut Bundesrat ist Swisscom Fixnet AG heute und in absehbarer Zukunft die einzige Unternehmung, die über ein flächendeckendes Festnetz verfügt. Daher will er sie für eine Übergangszeit von fünf Jahren nach Ablauf der gültigen Konzession - also bis 2012 - zur Erbringung der flächendeckenden Grundversorgung gesetzlich verpflichten. Danach soll die Grundversorgungskonzession nach den dann gültigen Bestimmungen wieder ausgeschrieben und vergeben werden.
    Der Bundesrat will auch die Schaffung einer öffentlich-rechtlichen Netzgesellschaft sowie eine Beteiligung des Bundes an der Grundversorgungskonzessionärin, der Swisscom Fixnet AG zur Diskussion stellen, meint aber, dass beides aus seiner Sicht jedoch abzulehnen ist, weil von einer Entflechtung des Netzgeschäftes und des Vertriebs von Dienstleistungen nur die Swisscom betroffen wäre und ihre Konkurrenten weiterhin über ihre eigenen Netze verfügen und damit Gesamtlösungen anbieten könnten. Es käme sonst zu einer Diskriminierung der Swisscom.
    Der Bundesrat wird auch flankierende Massnahmen zur Wahrung der Eigenständigkeit der Swisscom zur Diskussion stellen. Namentlich sind dies die Verschärfung von Vinkulierungsbestimmungen, die Einführung von Kontrollrechten, die Beibehaltung einer Sperrminorität von 33 %, die Vertretung des Bundes im Verwaltungsrat sowie die Einführung einer Volksaktie.
    Die Vernehmlassungsbotschaft soll Ende Januar 2006 vom Bundesrat verabschiedet werden. Die Vernehmlassungsfrist soll auf höchstens sechs Wochen verkürzt werden, damit eine Behandlung und Verabschiedung der Vorlage in der Sommersession 2006 und - im Referendumsfall - eine Abstimmung im März 2007 möglich ist.

Mehr Schulden?
    Der Bund erwartet, dass Swisscom eine Ausschüttungspolitik verfolgt, die alle nach wertsteigernden Investitionen und allfälligen Schuldenrückführungen verbleibenden freien Mittel eines Geschäftsjahres den Aktionären via Aktienrückkäufen und Dividendenzahlungen nach üblicher Praxis zurückerstattet. Diese ausschüttbaren Reserven der Swisscom AG werden Ende 2005 rund drei Milliarden Franken betragen und sollen auf Wunsch des Bundes über die Vierjahresperiode auf höchstens eine Milliarde reduziert werden.
    Das die Swisscom heute Nettofinanzmittel in der Höhe von über einer Milliarde aufweist, würde dadurch eine Nettoverschuldung von einer Milliarde entstehen. In den Zielen des Bundes wurde eine Begrenzung der zulässigen Nettoverschuldung von höchstens 1,5× EBITDA festgelegt. Laut Swisscom ergebe sich dadurch für die nächsten vier Jahre auf Basis des heutigen Geschäfts ein maximal zusätzliches Verschuldungspotenzial von rund fünf Milliarden für Akquisitionen.
    Der Bundesrat erwartet, dass Swisscom keine Beteiligungen im Ausland an Telekommunikationsgesellschaften mit Grundversorgungsauftrag eingeht. Andere Beteiligungen im Ausland sind weiterhin möglich, wenn sie das Kerngeschäft von Swisscom im Inland unterstützen oder eine andere strategisch-industrielle Logik aufweisen.

Blocher verteidigt Bundesrat
    In einem Interview mit der Genfer «Le Temps» hat Christoph Blocher die Strategie des Telekommunikationskonzerns erneut kritisiert und die Beschlüsse des Bundesrates verteidigt. Laut Blocher sind alle Entscheide des Bundesrats auf korrekte Art und Weise gefällt worden, ohne dass das Aktienrecht verletzt worden sei. Zur Zukunft der Swisscom sagte Blocher, dass er, wenn er in dieser Industrie tätig wäre, sich den Kopf zerbrechen würde, um eine wirkliche Strategie auszuarbeiten. Die Übernahme eines anderen Unternehmens mit Grundversorgungsauftrag im Ausland, das die gleichen Probleme habe, biete keinerlei Wachstumsaussichten.

Merz & Leuenberger
    Am Abend des 21. stellten dann die Bundesräte Hans-Rudolf Merz und Moritz Leuenberger den Medien die strategischen Ziele 2006 bis 2009 für die Swisscom vor. (Im WortlautNeues Fenster)
    Die Begrenzung der Neuverschuldung über die nächsten vier Jahre werde den Handlungsspielraum der Swisscom zwar begrenzen, doch habe die Swisscom ja Möglichkeiten zu Investitionen in Wachstumsmärkten wie Kabelfernsehen oder Internetdiensten. So könne die Stagnation des Inlandgeschäftes bis zu einem gewissen Grade kompensiert werden. Leuenberger erwartet, dass die Swisscom Sprach- und Internetdienste sowie TV/Video-Angebote aus einer Hand anbiete und in diesen Sparten wettbewerbsfähig sei.
    Über den Ablauf der geplanten Privatisierung will der Bundesrat erst im Januar entscheiden.

SVP über Fasel empört
    Gregor A. Rutz, Generalsekretär SVP, sieht, wie «Il Paese» berichtet, «eine neue Dimension der politischen Schlammschlacht» eröffnet und wirft Hugo Fasel vor, dass er als Präsident der Geschäftsprüfungskommission den Rücktritt von Bundesrat Blocher fordert und diesen als «Gefahr für die Schweiz» bezeichnet. Der abtretende GPK-Präsident lasse sich im «SonntagsBlick» für eine «derbe politische Aktion einspannen» und missbrauche sein Amt als Präsident der nationalrätlichen Aufsichtsinstanz. Rutz erregt auch die Formulierung, Blocher solle «zurück in die Schiessbude des Albisgüetli» und wirft ihm vor, seine Aussagen nicht argumentativ untermauern zu können.
    Fasel, der als CSP-Nationalrat Mitglied der Grünen Fraktion ist, die in einem Brief von der GPK verlangte, die Rolle Christoph Blochers zu untersuchen, missbrauche sein Aufsichtsamt eher unbedarft dazu Regierungsmitglieder abzuqualifizieren.
    Rutz meint abschliessend «Zurücktreten sollte genau jemand, nämlich Nationalrat Fasel, der sein Amt als GPK-Präsident auf inakzeptable Weise für politische Abrechnungen missbraucht. Er soll seinen Platz im Nationalrat frei machen für jemanden, welcher mit staatspolitischer Verantwortung besser umgehen kann».

FDP: Swisscom soll in Schweizer Besitz bleiben
    In einem Interview mit der am Weihnachtssonntag erscheinenden «SonntagsZeitung» plädiert FDP-Präsident Fulvio Pelli dafür, dass die Swisscom in Schweizer Besitz bleibt. Es brauche eine Volkaktie, die der Bund den Schweizer Bürgerinnen und Bürger verkaufen oder schenken solle. Zudem solle der Bund die Titel an institutionelle Anleger aus der Schweiz veräussern. Pelli verlangt, dass der Bund mit der Gesetzesänderung, die den Verkauf der Swisscom ermöglicht, auch eine Verkaufsstrategie vorlegt, denn ohne Konzept werde die FDP auch nicht dem Verkauf zustimmen.

Medienmitteilung
    In einer Medienmitteilung wird die rasche Vorlage des Grundsatzpapiers durch den Bundesrat von der FDP begrüsst, allerdings warnt die FDP, dass unnötige Auflagen das Unternehmen schwächen würden. Man hält auch eine Vermischung der anstehenden Grundsatzentscheidung des Parlaments für oder gegen die Befreiung der Swisscom vom Mehrheitsaktionärszwang des Bundes mit Begleitmassnahmen zu einem effektiven Verkauf seiner Aktien für nicht angebracht und will nach Vorliegen der Vernehmlassungsvorlage die vorgeschlagenen flankierenden Massnahmen kritisch prüfen.
    Die Grundversorgung der Schweiz mit Telekommunikationsdienstleistungen sei in jedem Fall im Rahmen des Fernmeldegesetzes gewährleistet, deshalb könnten alle Entscheide zu Swisscom unabhängig vom Thema Grundversorgung gefällt werden. Ziel müsse die «Befreiung der Swisscom von den heutigen Fesseln» sein.
    Der vorgeschlagene formale Weg wird von der FDP ausdrücklich begrüsst: Ein Entscheid auf Gesetzesstufe zur Bundesbeteiligung an Swisscom sei der richtige Weg, weil damit rasch klare Verhältnisse geschaffen werden.

«Reine Augenauswischerei»
    Die Gewerkschaft Kommunikation erklärt die neu definierten Strategie des Bundesrates zur «reinen Augenwischerei», denn die Sperr-Minorität sei nur ein Zwischenschritt hin zur vollständigen Privatisierung. Damit sie die Qualität der Grundversorgung gefährdet und es würde nicht verhindert, dass die Swisscom in ausländische Hände fällt.
    Bedauerlich findet die Gewerkschaft Kommunikation, dass der Bundesrat die Regelung nur im Gesetz vornehmen will und nicht in der Verfassung. Damit entziehe er sie dem obligatorischen Referendum. 2001 hätte das noch anders geklungen. Gewerkschaft Kommunikation: «Der Bundesrat verlässt nun seine ursprüngliche Position. Der Weg über die Verfassung wäre der schnellere als derjenige über das Gesetz. Eilt es plötzlich dem Bundesrat nicht mehr? Oder hat er Angst vor dem Volk?» und weiters erklärt die Gewerkschaft Kommunikation: «Die strategischen Vorstellungen des Bundesrates sind volkswirtschaftlich gefährlich und politisch fahrlässig». Sollte das Parlament den Vorstellungen des Bundesrates folgen, will die Gewerkschaft Kommunikation das Referendum ergreifen.

Indiskretionen?
    Gleich zu Jahresbeginn weiss die «NZZ» unter Berufung auf das Magazin «Facts» zu berichten, dass es im Zusammenhang mit dem Swisscom-Entscheid des Bundesrates möglicherweise zu Indiskretionen gekommen ist und bei der Bundesanwaltschaft entsprechende Vorabklärungen aufgrund eines Hinweises der Bundeskanzlei laufen. Anlass sei ein Bericht in der «Weltwoche» vom 8. Dezember in dem das Magazin dargestellt hatte, wie es zu den Entscheiden des Bundesrates gekommen war.

Besinnung auf das Inland
    Der Stopp aller Pläne von Swisscom-Chefs Jens Alder im EU-Raum zu expandieren und so aktiv am Konsolidierungsprozess teilzunehmen zwingt die Swisscom sich auf Wachstum im Inland einzustellen. Die Fachleute im den diversen Medien wissen auch schon, wie das zu geschehen hat. So weiss etwa die HandelsZeitung am 3. Januar - Quelle ist ein «Insider» -, dass man Investitionen in neue Technologien vorziehen werde: Beschleunigung des VDSL-Ausbaus, Start von UMTS-HSDPA, ADSL schneller machen. Dazu käme noch der Ausbau des Geschäftes in den Bereichen IT mit Outsourcing, Lösungen, Zahlungsverkehr und Kartensysteme.
    Man weiss auch: «Kapitän Jens Alder bleibt an Bord. Zumindest bis zur Veröffentlichung des Jahresergebnisses am 8. März 2006», dann nämlich werde Swisscom erste Details der neuen Unternehmensstrategie kommunizieren. Ein Rücktritt Alders dürfte nach diesem noch länger auf sich warten lassen ...

Keine Auslandsinvestitionen?
    Am 10. Januar meldet Swisscom, dass sie im im Rahmen eines Pflichtangebots zusätzliche 22,99 % Aktien von Antenna Hungaria übernommen hat und nun 97,99 Prozent des ungarischen Unternehmens besitzt.
    Sicher, Antenna Hungaria hat keinen Grundversorgungsauftrag, Aber was tut Swisscom nun mit der einsam in der Pusta herumliegenden Beteiligung?

19. Januar: Ende der alten Swisscom?
    Zwei nicht direkt miteinander verbundene Ereignisse dürften möglicherweise das Ende der Swisscom, wie wir sie bisher kannten, markieren. Am 19. Januar verabschiedete der Bundesrat die revidierte Strategie für eine Informationsgesellschaft in der Schweiz und Swisscom-CEO Jens Alder erklärte seinen Rücktritt. Als Nachfolger wurde der Deutsche Carsten Sloter, der schon bisher erfolgreich Swisscom Mobile geführt hat, bestimmt.

Die neue Strategie für eine Informationsgesellschaft in der Schweiz
    Die revidierte Strategie für eine Informationsgesellschaft in der Schweiz ersetzt die bisher gültige aus dem Jahr 1998 und setzt neue Schwerpunkte bei elektronischer Verwaltung (eGovernment) und IKT im Gesundheitswesen (eHealth).
    Die formulierte Strategie ist primär für den Bund handlungsrelevant. Da aber viele Themen der Informationsgesellschaft im Kompetenzbereich der Kantone liegen oder kompetenzübergreifend sind (eGovernment, Bildung etc.) muss der Bundesrat besonderen Wert auf die Zusammenarbeit und Abstimmung mit anderen staatlichen Ebenen legen.

Sieben Grundsätze
    Die Strategie umfasst sieben Grundsätze für die folgenden Massnahmenbereiche:
    -Wirtschaft
    - Sicherheit und Vertrauen
    - Demokratische Meinungs- und Willensbildung
    - Elektronische Verwaltung
    - Bildung
    - Kultur
    - Gesundheit und Gesundheitswesen.
    Im Bereich der elektronischen Verwaltung soll eine schweizweite Strategie für den elektronischen Behördenverkehr (eGovernment) formuliert werden. So sollen staatliche Dienstleistungen transparent, effizient, kostengünstig und in guter Qualität angeboten werden können. Zudem sollen auf Bundesebene ein Konzept und ein Aktionsplan erarbeitet werden, um den standardisierten Umgang mit elektronischen Daten und Dokumenten von ihrer Entstehung bis zur Archivierung zu gewährleisten.
    In einem neu behandelten Bereich Gesundheit und Gesundheitswesen soll unter Einbezug der Versicherten- bzw. Gesundheitskarte ebenfalls eine nationale Strategie mit weiteren Umsetzungsmassnahmen erarbeitet werden.

Alder geht - Schloter steigt auf
    Am gleichen Tag an dem der Bundesrat seine Strategie veröffentlichte erklärte Swisscom-Chef Jens Alder seinen sofortigen Rücktritt. Er zog damit die Konsequenzen aus dem Zwist mit dem Bundesrat An einer Medienkonferenz erklärte er: «Der Bundesrat hat eine andere Strategie für die Swisscom als ich selbst»; er akzeptiere das und ziehe die Konsequenzen, weil er einfach nicht mehr das richtige Gesicht sei, um dieses Unternehmen zu repräsentieren.
    Als Alders Nachfolger wurde vom Verwaltungsrat der Swisscom Carsten Schloter, bisher Chef von Swisscom Mobile, bestimmt. Der Deutsche ist seit sechs Jahren bei Swisscom. Der Bundesrat wurde schon am Tag davor über die Ernennung Schloters informiert.

Alles in Ordnung?
    Der neue Boss musst gleich einmal erklären, dass er es nicht als Nachteil betrachte Deutscher zu sein und ein Unternehmens zu führen, das die Schweiz bereits im Namen führt. Carsten wird wohl der Übergangsperiode vorstehen, in der Swisscom mehr Staat darstellt um später ganz privat zu werden. Der Swisscom-Verwaltungsrat jedenfalls begrüsste die vom Bundesrat geplante Privatisierung der Swisscom durch den Verkauf der Bundesmehrheit, weil die gegenwärtige Eigentümerstruktur die Swisscom unternehmerisch zu stark einschränke. Die Swisscom brauche die Flexibilität, um auch Allianzen im Ausland einzugehen. Nur so könne sie die Wachstumschancen voll ausschöpfen.
    Swisscom-Verwaltungsratspräsident Markus Rauh erklärte, dass sich die Swisscom im Abstimmungskampf um eine Privatisierungsvorlage nicht aktiv engagieren und auch keine Parole fassen werde. Wichtig sei einzig, dass der Entscheid so schnell wie möglich falle. Die heutige Unsicherheit lähme das Unternehmen.

Verhaltene Reaktionen
    Der Rücktritt Alders löste kaum Überraschung aus. Bundespräsident Leuenberger und Finanzminister Merz lobten, wie es sich gehört, die Verdienste des Managers. Die Gewerkschaften hoffen auf weiter gute Sozialpartnerschaft. Die Parteien und Organisationen hielten sich noch stärker bedeckt: Die CVP bedauert, ebenso wie die SP den Abgang Alders. SP-Parteipräsident Hans-Jürg Fehr ergänzte noch, dass der Kurswechsel im Bundesrat ein Affront gegen Alder gewesen wäre. Die FDP hält den Wechsel für ein Zeichen der Kontinuität. Die SVP erklärte, nur zu Sach- und nicht zu Personalfragen Stellung nehmen zu wollen. Die Gewerkschaft Kommunikation hält die Umstände von Alders Rücktritt für bedenklich.

Wie gewohnt, wird MOBILE TIMES das Thema weiter verfolgen und diesen Beitrag je nach Eintreffen neuer Meldungen aktualisieren.
    Die Folgegeschichte finden Sie unter Die Interim-Swisscom

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