GSM-Praxis

Russland

Der östliche Rand der alten Welt hat in den letzten zehn Jahren sehr intensiv versucht, Anschluss an die wirtschaftliche Entwicklung des Westens zu gewinnen. Eine Unzahl neuer GSM-Netze dient auch diesem Zweck.


Die Komplexität der Verteilung der russischen GSM-Lizenzen ist nur mehr mit dem mehrstufigen amerikanischen System zu vergleichen. Alle anderen Länder haben ein für Ausländer leichter zu durchschauendes System. MOBILE TIMES hat sich dieses Thema vorgenommen, und wir können mit Stolz eine Übersicht über die russischen GSM-Netze bieten, wie sie bisher in Westeuropa noch nicht erschienen ist.

Die Gebietsaufteilung können unsere Leser der nebenstehenden Karte entnehmen, die alle bekannten Netze und Netzplanungen enthält. Aus Gründen der Übersichtlichkeit wurden die zusätzlichen Netze in den Gro?räumen Moskau und Sankt-Petersburg weggelassen. Vor allem für das Dualband-Netz von KB Impuls in Moskau und Umgebung, für das es hierzulande Roamingverträge gibt, war kein Platz.

Zu beachten ist, dass die schraffierten Gebiete ihr GSM-Netz erst demnächst in Betrieb nehmen werden.

Die leeren Weiten Sibiriens

Wie unschwer zu erkennen ist, gibt es in den weiten menschenleeren Gebieten Sibiriens keine Netze. Nur am südlichen Rand und an der Pazifikküste sind erste Ansätze zum Bau von GSM-Netzen erkennbar. Hier zeigt sich - wie übrigens auch in den USA und in Australien -, dass in solchen Lagen Mobilfunknetze, die aus Zellen aufgebaut sind, mit höheren Frequenzen immer geringere Deckungsgrade aufweisen. Eine der Gründe, warum Russlands Netzbetreiber noch heute gute Kunden bei den Lieferanten von NMT-450 sind. NMT-450 gibt es beispielsweise in Baschkortostan, Bryansk, Irkutsk, Kaluga, Komi, Krasnoyarsk, Leningrad, Moskau, Nishni Novgorod, Ryazan, Sverdlovsk, Tula, Tver usw.

Aber NMT-450 ist nicht die einzige Analogtechnik, die sich in Russland noch einer gewissen Beliebtheit erfreut. Es gibt auch Netze im amerikanischen AMPS-Standard wie etwa in Belgorod, Chelyabinsk oder Kursk. Vimpelkom hat sogar ein Hybridnetz aus analogem AMPS und digitalem TDMA, betreibt aber parallel dazu ein GSM-1800-Netz. Die Sankt-Petersburg Telecom startete vor einigen Jahren eine Schmalband-Version von AMPS und auch CDMA hinterlässt in Russland einige Spuren.

Geldmangel

Dieses Sammelsurium an unterschiedlichen Standards hat verschiedene Gründe. Einmal ist Russland nicht gerade finanzstark, und daher sind die meisten Netzbetreiber bereit, von dem Anbieter zu kaufen, der die grösste Beteiligung eingeht, und zweitens schien die zentrale Steuerung auch im Telekom-Bereich zunehmend an Macht zu verlieren. Bei den jüngsten Ausschreibungen dürfte hier aber eine Änderung eingetreten sein, die weniger politisch als eher wirtschaftlich motiviert ist: GSM-1800 wird in viel grösseren, zusammenhängenden Gebieten lizenziert als GMS-900.

Bestes Beispiel ist das riesige 1800er-Lizenzgebiet der Moskauer MTS, das von der Westgrenze des Riesenreiches bis weit in das Uralgebiet reicht. Die grosse blaue Schraffierung über viele Gebiete zeigt das künftige GSM-1800-Netz der MTS-Tochter Rosiko.

Mobile TeleSystems (MTS) wurde 1993 als Joint-Venture von Deutscher Telekom, Siemens, dem Moscow City Telephone Network und einigen anderen Firmen gegründet. Die deutsche Telekom hält noch immer einen grossen Anteil, was wohl auch dazu beigetragen hat, dass MTS heute in Russland die am schnellsten wachsende GSM-Firma ist und ausserdem den ambitioniertesten Netzausbau betreibt.

Der nächste grosse Player ist North-West GSM mit dem Hauptgebiet in Sankt-Petersburg. Der Firmensitz von North-West GSM befindet sich laut MoU nach wie vor im finnischen Lappenranta - kein Wunder, ist doch die finnische Sonera der Hauptaktionär, des vor allem im Nordwesten - abgesehen von der Lizenz in der Republik Mordvinien - aktiven Betreibers.

Als dritter grosser Netzanbieter hat sich in den letzten Monaten Zao Smarts mit dem Zentrum in Samara etabliert. Dieses Unternehmen ist vor allem im Südwesten der russischen Föderation aktiv. Im Gegensatz zu den beiden vorher genannten Unternehmen ist Zao Smarts zu 95% privat finanziert. Bei der Technik setzt man in Samara voll auf Italtel, während Moskaus MTS Motorola bzw. Siemens einsetzt und North-West GSM Nokia-Technik verwendet.

Regionen, Republiken, Bezirke und Erdöl

Der «Flickenteppich» an GSM-Netzen ist auch durch die politische Struktur Russlands erklärbar. Die Föderation setzt sich einerseits aus Gebieten und Regionen, die das eigentliche Russland ausmachen, und andererseits aus selbständigen Republiken und autonomen Bezirken, Gebieten und Kreisen zusammen. Dazu gibt es noch die beiden Städte Moskau und Sankt-Petersburg mit Sonderstatus. Die 21 Republiken haben eigene Verfassungen und eine eigene Gesetzgebung, was sich natürlich auch im Bereich Telekom auswirkt.

Von den 21 Republiken haben zwei den Föderationsvertrag bis heute nicht unterschrieben. Doch während die eine (Tschetschenien) kein Thema für GSM darstellt, hat die andere (Tatarstan) inzwischen auf einer Hauptstrecke östlich und westlich der Hauptstadt Kasan dank amerikanischer Investoren ein (fast) durchgehendes GSM-Netz.

Andere Gegenden wieder verdanken ihr GSM-Netz dem Erdöl. Die von Italtel gebauten Netze von Ermak RMS sind als Versorgungsinseln immer dort zu finden, wo damals - oder heute - Erdöl gesucht, gefördert oder verarbeitet wird.

Abgesehen von den ambitionierten Ausbauprogrammen von MTS und North-West-GSM ist derzeit - ausser vielleicht von StavTeleSot in Krasnodar - kaum der Versuch erkennbar, ein flächendeckendes GSM-Netz zu schaffen. Auch Zao Smarts ist ja schon seit 1997 aktiv ...

fak/fwk

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