Der Kampf um die mobilen Schirme

Tod-Freunde

Am 8. Dezember 1999 gaben Ericsson und Microsoft den Abschluss einer strategischen Partnerschaft zur Entwicklung des mobilen Internet-Marktes bekannt. Ericsson ist ein Kernmitglied von Symbian - was steckt also dahinter?


Was alle Beobachter anfänglich etwas verwirrte, war die Feststellung, dass beide Firmen eine gemeinsame Tochter gründen wollten. Das Datum war exzellent gewählt, denn am gleichen Tag gab Microsoft bekannt, dass der Microsoft Mobile Explorer (MME) fertig sei.

MME soll eine umfassende offene Software-Plattform sein, die Mobiltelefone Internet-fähig macht. Dazu kamen die üblichen Worte «modular», «flexibel» und «massgeschneidert», die jeder Software-Hersteller verwendet.

Seit Dezember ist MME plötzlich eine Schlüsselkomponente von Microsofts «end-to-end wireless strategy», von der viele bis dahin noch gar nichts gehört hatten. Aber sie war da, und Ericsson war von Anfang an mit dabei. Man ist also nicht später aufgesprungen wie etwa Benefon. Die Finnen erwarben am 20. Dezember eine MME-Lizenz.

Gleichzeitig hat Microsoft ebenfalls etwas gewonnen, denn die Vereinbarung zwischen den beiden Firmen umfasst auch, dass Ericsson sein WAP Know how an Microsoft weitergibt und Microsoft MME und Ericsson-WAP aufeinander abstimmen wird. Im Licht der ersten WAP-Probleme - problemlos war es nur dann, wenn der WAP-Server und das WAP-Handy mit Software aus der gleichen Quelle liefen - ein kräftiger Vorteil für Ericsson als Netzbauer, wenn sich MME durchsetzt.

Von Vorteil für Microsoft ist wieder die Absicht, gemeinsame Lösungen zu entwickeln und zu vermarkten, die auf Windows NT-Servern laufen. In der Telecom-Welt, wo immer noch Unix den Ton angibt, für Microsoft sehr interessant.

«Das wird Mobilfunk-Betreibern den Zugang zur verlässlichsten und Feature-reichsten Komunikations- und Mobile-Data-Infrastruktur geben», heisst es dazu in der Erklärung beider Unternehmen. Wir lassen das hier einmal so stehen.

Microsoft und Ericsson vereinbarten auch eine Zusammenarbeit bei der Unterstützung und Entwicklung offener Industrie-Standards. Besonders erwähnt wurden Universal Plug and Play (UPnP), WAP und Bluetooth. UPnP ist für Microsoft wichtig. WAP und Bluetooth für Ericsson.

Ericsson erklärte, dass man MME in zukünftigen «Feature Phones» und «geeigneten anderen Ericsson-Telefonen» integrieren will, und dass diese Lösung natürlich den Ericsson-WAP-Stack enthalten wird.

Dem Endanwender macht man die Lösung dadurch schmackhaft, dass mit dem neuen MME, der ja ein Dual-Mode-Browser sein soll, sowohl HTML- als auch WAP 1.1-Seiten dargestellt werden können. Damit wären Entwickler und Anbieter völlig frei in der Entscheidung, welche Art von Technologie sie verwenden wollen.

Schlussendlich erklärte man auch, dass ein weiteres Ziel die Konvergenz von WAP und Internet sein soll, die im Endeffekt zu XML als gemeinsamem Standard führen soll.

Was weiter geschah

Inzwischen sind einige Monate vergangen. Kurt Hellström, der Präsident von Ericsson, hat sich anderen Aufgaben zugewandt. Ericsson hat auf der CeBIT eine «Communicator-Plattform» präsentiert, die auf dem «Quartz»-Design von Symbian basiert. Auf der Messe hörte man, dass Microsoft auch für EPOC Software entwickeln wird - wie ja schon bisher für Apple. Von der gemeinsamen Firma hat man aber nichts weiter gehört. Microsoft vermarktet seinen MME weiterhin - zuletzt an Sony. Und Microsoft erklärte einmal mehr, dass man begeistert darüber ist, mit einer Firma, die so fantastische Mobiltelefone produziert, zusammenzuarbeiten.

Conclusio

Ob aus der Vereinbarung zwischen Ericsson und Microsoft tatsächlich Produkte hervorgehen, wird die Zukunft zeigen. Einmal mehr ist das aber ein Beispiel, wie Firmen, die eigentliche in gegensätzlichen Lagern stehen, zum gemeinsamen Nutzen durchaus über ihren Schatten springen können und aus Tod-Feinden Freunde werden - und umgekehrt. Tod-Freunde eben.

Franz A. Köttl/fwk


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