Serie Mobile Datenübertragung

Teil III - Mehr Speed am Datenhighway

Was bedeutet eigentlich Datenübertragung? Was kann man damit machen? Und vor allem: Wie geht das denn nun? Diese Fragen wollen wir versuchen, in unserer Serie zu beantworten.


In der letzten Folge haben wir das Übertragungsprotokoll WAP geschildert. Doch WAP ist nur ein Protokoll, das über dem eigentlichen Übertragungsweg liegt. Der eigentliche Übertragungsweg ist SMS, USSD, CSD oder GPRS. Von diesen wäre GPRS am schnellsten - wäre deshalb, weil es noch nicht implementiert worden ist. Implementiert wurde aber eine Weiterentwicklung von CSD oder GSM-Daten unter dem Namen HSCSD.

Mehr Tempo durch neue Codierung

Der Trick, der verwendet wird, um mit HSCSD schnellere Datenübertragung zu verwirklichen, ist im Grunde genommen relativ einfach. Denn bei GSM steht zwar für jeden Anwender eine Übertragungsrate von 22.8 kBit/s zur Verfügung, aber davon werden bei der Datenübertragung nur 9.6 kBit/s genutzt - der Rest wird für Fehlerkorrekturbits verbraucht, damit die Daten auch komplett und sicher ankommen.

Jedoch werden bei Sprachübertragung - also dem normalen Telefonieren und eigentlichen Zweck von GSM - schon seit Beginn des GSM-Standards 13 kBit/s verwendet, was leicht dadurch erklärt wird, dass das menschliche Ohr Fehler verzeiht, die bei Datenübertragung unverzeihlich sind. Was liegt also näher, als auch für Datenübertragung mehr von den maximal möglichen 22.8 kBit/s zu verwenden?

Durch eine neue Codierung der Daten mit den Kontrollbits kann bei HSCSD die effektive Datenrate von 9.6 kBit/s auf 14.4 kBit/s gesteigert werden. Das verringert naturgemäss die Menge an verfügbaren Kontrollbits, was dann dazu führt, dass die maximale Entfernung von der Basisstation schrumpft.

Denn je weiter man von der Basisstation entfernt ist, desto mehr Bits gehen bei der Übertragung verloren, und desto mehr von den Kontrollbits werden tatsächlich genutzt, um diese Übertragungsfehler auszugleichen. Wenn man nun über weniger Kontrollbits verfügt, kann man auch weniger Fehler ausgleichen, und man muss schon in geringerer Entfernung zur Basisstation einen Abbruch der Verbindung zur Kenntnis nehmen.

Ich bin viele

Normalerweise hat man bei GSM pro Teilnehmer einen Zeitschlitz zur Verfügung. Da jeder Kanal in acht sich wiederholende Zeitschlitze unterteilt wird, können gleichzeitig acht Personen pro Kanal telefonieren oder Daten übertragen. Bei HSCSD kann aber ein Teilnehmer mehrere Zeitschlitze in Anspruch nehmen, so als ob er mehrere Personen wäre. Dadurch steigert sich die tatsächliche Datenrate, die man zur Verfügung hat, auf Werte, wie sie bisher nur im Festnetz vorkamen.

In der Praxis wird man natürlich nicht jedem Teilnehmer die maximal mögliche Zahl von Zeitschlitzen zuordnen, da ja dadurch die Zahl an Teilnehmern pro Funkzelle absinkt. Man wird also jedem Teilnehmer je nach Bedarf und je nach Auslastung des Netzes einen oder mehrere Zeitschlitze zuordnen.

Und das Schöne dabei ist, dass diese Zuordnung auch mit dem alten Codierungsschema für 9.6 kBit/s funktioniert, was auch in funktechnisch schwierigen Gegenden wie Gebirgen, wo man jedes einzelne Fehlerkorrekturbit benötigt, hohe Datenraten möglich macht.

Asymmetrisch oder symmetrisch?

In der Fernsehwerbung hört man in letzter Zeit immer wieder von Asymmetric Digital Subscriber Line (ADSL), was soviel wie «Asymmetrische Digitale Teilnehmer Leitung» bedeutet. Was eine Leitung für einen Teilnehmer ist, ist ja logisch, und auch «Digital» ist einsichtig; was aber bedeutet das «Asymmetrisch»?

Asymmetrische Übertragung bedeutet, dass man in einer Übertragungsrichtung mehr Kapazität zur Verfügung hat als in der anderen Richtung. Ein Beispiel, wo dies sinnvoll wäre, ist zum Beispiel das Surfen im Internet, wo man nur kleine Datenmengen vom eigenen Computer an die jeweiligen Webseiten schickt (nämlich die Anfragen, diese Seite zu schicken), während in der Gegenrichtung von der Website zum eigenen Computer grosse Datenmengen unterwegs sind - nämlich die Inhalte der Webseiten. Für HSCSD bedeutet das etwa, dass man einen Zeitschlitz für die Verbindung vom Handy zum Internet bereitstellt, aber drei Zeitschlitze für die Verbindung vom Internet zum Handy. 1+3 ist dabei auch die Grenze heutiger HSCSD-fähiger Handys. Zukünftige Geräte mit simultaner Empfangs- und Sendemöglichkeit können bis zu 2+5 nutzen. Derzeit ist ausschliesslich die Nokia Datacard 2.0 auf dem Markt erhältlich.

HSCSD kann aber auch symmetrischen Betrieb durchführen, wobei dann für die Verbindung vom Handy zur Basisstation gleich viele Zeitschlitze zur Verfügung gestellt werden wie bei der Übertragung von der Basisstation zum Handy. Diese Art des Betriebs ist nicht nur beim eigentlichen Telefonieren üblich, sondern auch beim Lesen und Senden von eMails oder zukünftigen Bildtelefonen. Schon mit heutigen Handys kann man hier 1+1 oder 2+2 nutzen, und die nächste Generation verspricht die Nutzung von drei bis fünf Zeitschlitzen.

Durchsichtig oder undurchsichtig?

Im Jargon der Techniker heisst das dann natürlich «transparent» und «non-Transparent» und bedeutet, wie schnell die Daten unterwegs sind. Das sollte man jetzt nicht mit der Datenübertragungsrate verwechseln, die ja schon angibt, wie schnell die Daten unterwegs sind, denn eine durchschnittliche Datenrate ist nicht dasselbe wie die Datenrate zu jedem beliebigen Zeitpunkt.

Wenn man eine Datei aus dem Internet holt, kann man manchmal visuell verfolgen, wie sich die aktuelle Datenübertragungsrate laufend verändert - mal schneller und mal langsamer -, was aber alles nichts macht, solange die Gesamtübertragungsrate unseren Erwartungen entspricht. Diese Art der Geschwindigkeitskontrolle nennt man non-transparent. Das Netzwerk stellt hier eine zusätzliche Fehlerkorrektur zur Verfügung, hat dann aber natürlich keine Resourcen mehr, um die Übertragungsgeschwindigkeit zu kontrollieren, was dann eben zu einer variablen Datenrate und einer variablen Verzögerung führt.

Beim Surfen und Mailen via HSCSD wird man diesen Übertragungsmodus anwenden, da hier wie im Festnetz nur die Gesamtgeschwindigkeit interessant ist, und man lieber zusätzliche Kontrollmechanismen hat, um die Korrektur einzelner Fehlerbits sicherzustellen.

Wenn man aber telefoniert, dann muss die Datenrate zu jedem Zeitpunkt gleich sein, denn sonst hat man eine halbe Minute Stille, und in der nächsten halben Minute Gespräche mit doppelter Geschwindigkeit - und das ist natürlich unbrauchbar.

Daher verwendet man bei transparenter Datenübertragung die Resourcen des Netzwerks nicht für zusätzliche Fehlerkorrektur, sondern zur exakten Kontrolle der Datenübertragungsrate zu jedem Zeitpunkt, um eine konstante Datenrate und eine konstante Verzögerung zu erzielen. Diesen Übertragungsmodus wird man bei Bildtelefonie mittels HSCSD anwenden, denn das menschliche Ohr kann über einzelne fehlende Töne hinweghören, und auch das Auge über einzelne nur Bruchteile von Sekunden dauernde Fehlpunkte im Bild leicht hinwegsehen. Eine variable Gesprächsgeschwindigkeit ist aber nicht im Bereich dessen, was die menschlichen Sinnesorgane ausgleichen können.

Welche Anwendungen sollen kommen?

HSCSD bietet eine unkomprimierte Datenrate bis 57.6 kBit/s, was sechsmal schneller als der im Moment vorhandene Datendienst CSD ist. Das bietet neben der Möglichkeit, viele Dinge, die man jetzt schon kann, schneller und damit billiger zu machen, auch neue Möglichkeiten wie die Chance, Dinge zu tun, für die GSM bis jetzt nicht schnell genug war, was insbesondere Datendienste betrifft, die in Echtzeit ablaufen sollen.

Zunächst einmal verwendet HSCSD die eine Protokollierung, die eine Weiterentwicklung von CSD ist. Daher können alle Anwendungen, die schon bisher für GSM entwickelt wurden, auch weiterhin verwendet werden - nur schneller.

Festnetz unterwegs

Die maximalen Datenübertragungsraten von HSCSD sind mit den Geschwindigkeiten von Festnetzanschlüssen vergleichbar. Daher können sie auch alle Dinge leisten, die bisher nur ein Festnetzanschlus zu leisten vermochte: eMail und Internet-Zugang mit vernünftigen Geschwindigkeiten und damit zu erträglichen Kosten - auch wenn man unterwegs ist. Ebenfalls der Zugang zum firmeneigenen LAN von jedem Punkt der Erde aus, der schon mit GSM versorgt ist, wird mit einer Geschwindigkeit möglich, bei der viele Festnetzmodems nicht mehr mithalten können.

Doch die grösste Stärke von HSCSD liegt in neuen Anwendungen, die von den höheren Datenübertragungsraten vollen Nutzen ziehen. Insbesondere die Übertragung von Bildern auf das Handy ist die grosse Zukunftshoffnung, für die viele Anwendungen erdacht werden. Eine davon ist Fernsehen auf dem Handy als Alternative zu Schlagzeilen via SMS. Doch mit derselben Technik kann man auch die Bilder von Alarmkameras auf das Handy übertragen, damit man immer weiss, was los ist, egal wo man sich gerade befindet.

Hat man schliesslich zwei Handys, die neben einem Bildschirm auch noch über eine Kamera verfügen, kann man sich gegenseitig bewegte Bilder zuspielen, was man dann am besten als Bildtelefonie bezeichnet. Wenn man dann nur schwarz sieht, weiss man, dass der Gesprächspartner gerade nicht präsent ist.

Und - um den Kreis zum Anfang zu schliessen - auch als Trägermedium von WAP ist HSCSD schneller als jede andere derzeit verfügbare Variante - egal ob SMS oder GSM-Daten.

Und wenn wir schon bei der Verfügbarkeit sind:

Wann kommt HSCSD?

Schon seit Anfang 1999 führen Firmen wie Nokia die ersten Netzwerkinstallationen durch, um vorhandene GSM-Netze auf HSCSD-Tauglichkeit aufzurüsten. Zur gleichen Zeit begannen auch die Tests für die ersten HSCSD-fähigen Handys zu laufen, die zwar gegen Ende 1999 angekündigt wurden, aber frühestens erst Mitte dieses Jahres auf den Markt kommen werden. Auch von den Netzbetreibern hat man bisher noch keine positiven Signale erhalten, dass diese Technik verfügbar sei.

Und das Schönste dabei ist: Man muss als Kunde nichts neu erlernen, denn HSCSD ist von der Benutzung her nichts anderes als CSD, also die altgewohnten Daten via GSM - nur eben schneller.

Michael Köttl/fwk


HSCSD-Praxis

Als einziges Endgerät für HSCSD ist derzeit die Nokia Datacard 2.0 auf dem Markt, die auch für die normale GSM-Datenübertragung geeignet ist. Während das Endgeräteangebot noch eher schwach ist, beginnen sich die Einsatzmöglichkeiten für High-Speed langsam zu vermehre. Gab es noch zur Telecomī99 nur den Swisscom-Test in Genf, so haben inzwischen GSM-Netze in Deutschland (E-Plus), Finnland (Sonera), Grossbritannien (Orange), Hongkong (Telecom), Österreich (One) und Singapur (MobileOne) den HSCSD-Betrieb aufgenommen oder stehen kurz davor. Weitere Netze werden noch im Laufe des Jahres folgen.


Mögliche Datenraten

Zahl der benutzen ZeitschlitzeMaximale Datenrate
mit alter Codierungmit neuer Codierung
1 Schlitz9,6 kBit/s14,4 kBit/s
2 Schlitze19,2 kBit/s28,8 kBit/s
3 Schlitze28,8 kBit/s43,2 kBit/s
4 Schlitze38,4 kBit/s57,6 kBit/s
5 Schlitze48,0 kBit/s72,0 kBit/s

Abkürzungen

ADSL
Asymmetric Digital Subscriber Line
CSD
Circuit Switched Data
GPRS
General Packet Radio Service
GSM
Global System for Mobile Communication
HSCSD
High Speed Circuit Switched Data
SMS
Short Message Service
USSD
Unstructured Supplementary Services Data
WAP
Wireless Application Protocol


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