Serie Mobile Datenübertragung

Teil II - W@P: Fast schon Internet

Was bedeutet eigentlich Datenübertragung? Was kann man damit machen? Und vor allem: Wie geht das denn nun? Diese Fragen wollen wir versuchen, in unserer neuen Serie zu beantworten.


In der letzten Folge haben wir die Entwicklung mobiler Datenübertragung von der Brieftaube bis SMS nachgezeichnet. Doch SMS hat bei allen Vorteilen auch einige Nachteile. Der am störendsten empfundene Nachteil ist die Nachrichtenlänge von 160 Zeichen, was für Kurzmitteilungen zwar ausreicht, aber nicht für Briefe oder das Betrachten von Internet-Seiten.

Für Internet gibt es zwar andere Lösungen, aber die erfordern mehr als nur ein Telefon. Denn wenn man über GSM-Daten auf das Internet zugreift, ist ein Computer oder ein Handy mit integrierter Organizer-Funktion erforderlich, um die Daten zu interpretieren. Ausserdem muss die Telefonnummer für Daten freigeschaltet sein.

Internet ohne PC?

Die Lösung dafür ist das Wireless Application Protocol (WAP) - das Protokoll für drahtlose Anwendungen. WAP kann auf beide Notwendigkeiten verzichten. Der integrierte Computer ist nicht notwendig, da bei WAP die Intelligenz nicht im Endgerät, sondern im Netzwerk sitzt. Und eine Freischaltung für Daten ist zwar empfehlenswert, aber nicht unbedingt nötig, da WAP auch andere Übertragungswege benutzen kann. Alles, was man wirklich bräuchte, wäre ein WAP-fähiges Handy und ein WAP-Gateway beim Netzwerkbetreiber.

«Bräuchte» deshalb, weil das, was man wirklich braucht, von den Einstellungen des Netzbetreibers abhängt. Denn WAP enthält zwar als unterste Ebene das Wireless Datagram Protocol (WDP), womit von WAP aus gesehen die unterschiedlichsten Übertragungswege gleichberechtigt behandelt werden können, aber ob der Netzbetreiber das unterstützt, ist schon wieder eine andere Frage. Eine Möglichkeit wäre es, SMS als Trägermedium zu verwenden, was möglich ist, da SMS ja über die Kontrollkanäle direkt übertragen wird. Der Nachteil ist nur, dass selbst einfache WAP-Anwendungen viele SMS-Nachrichten als Träger benötigen, weswegen auch nur ein Betreiber (SBC in den USA) diese Variante erforscht.

Die meisten Netzbetreiber verwenden CSD oder GSM-Daten als Trägermedium. Der Nachteil daran ist die Zeitverzögerung, da für jede Anfrage erst eine Verbindung zwischen Handy und Gateway aufgebaut werden muss, was im Durchschnitt etwa 30 Sekunden dauert. Zudem wird als Protokoll V.110 und noch nicht ISDN verwendet, so dass nach Perioden der Inaktivität (also wenn man eine Seite liest und dabei keine Knöpfe drückt) der Anruf beendet wird, und wenn dann doch ein Knopf gedrückt wird, ein neuerlicher Anruf getätigt werden muss.

Ein weiteres mögliches Trägermedium, das derzeit noch nicht überall eingeführt ist, wäre USSD, das sowohl mit SMS als auch mit CSD gewisse Ähnlichkeiten hat. Wie bei SMS werden die Informationen nicht über die Gesprächskanäle, sondern über die Signalkanäle verschickt, warum jede USSD-Nachricht auch auf 182 Zeichen beschränkt ist. Jedoch werden USSD-Nachrichten im Unterschied zu SMS-Nachrichten nicht gespeichert und weitergeleitet, sondern es wird wie bei CSD eine Sitzung eingeleitet, die offen bleibt, bis man selbst, eine Anwendung oder eine Zeitüberschreitung auflegen. Der Vorteil für WAP wäre, dass die Übertragungen bis zu siebenmal schneller als SMS wären, und man auch kein spezielles Menü aufrufen muss, sondern die Befehle direkt auf dem Hauptbildschirm des Mobiltelefons eingeben kann. Damit ist aber auch ein Nachteil verbunden, denn auf dem Hauptbildschirm gibt man normalerweise die Telefonnummer ein, die man für normale Telefongespräche wählen will. Damit eine USSD-Nachricht auch als solche erkannt wird, sind Sonderzeichen nötig: «*» und «#» werden verwendet, um die speziellen USSD-Befehle von normalen Telefonnummern zu unterscheiden. Das erinnert fatal an die GSM-Service-Befehle - und das ist auch kein Wunder, denn diese Service-Befehle werden heute als «USSD Stufe 1» bezeichnet, während Stufe 2 die interaktive Erweiterung ist, die für das SIM-Toolkit und WAP verwendet werden kann. Ein weiterer Vorteil ist, dass SMS und Daten nicht in allen GSM-Netzen vorhanden sind - USSD dagegen schon, denn es ist ein integraler Bestandteil von GSM.

Eine vierte Möglichkeit für einen WAP-Träger wäre GPRS. Im Unterschied zu den ersten drei Möglichkeiten ist das aber noch nirgends in der Praxis anzutreffen. Erst im Laufe dieses Jahres sollen GSM-Netzwerke auf diese neue Technik aufgerüstet werden, die mit maximal 177.2 kbps nicht nur deutlich schneller als die drei anderen Möglichkeiten ist, sondern auch virtuelle Verbindungen unterstützt, bei denen der User scheinbar mit dem Netzwerk verbunden ist, und auch sofort ohne Verbindungsaufbau Daten senden und empfangen kann, aber trotzdem das Netzwerk nicht belastet, und daher auch nicht dafür zahlen muss.

Das Problem für die Praxis ist hier ein finanzielles: In dem Moment, wo von der virtuellen Verbindung auf eine reale Verbindung umgeschaltet wird, fallen natürlich Gebühren an. Wenn man nun über einen Nachrichtendienst verfügt, hat man bisher eine monatliche Fixgebühr bezahlt, und bekam die Nachrichten als SMS. Würde man sie aber über GPRS bekommen, wären für jede Nachricht die Gesprächsgebühren zu bezahlen. Der schlimmstmögliche Fall wäre, wenn man für ungebetene Werbesendungen zahlen müsste. Daher gibt es derzeit noch keine Endgeräte, die eine Aktivierung der virtuellen Verbindung vom anderen Ende aus gestatten. Solange dieses Problem nicht gelöst ist, scheint es, als wäre eine WAP-Sitzung, die vom Handy aus gestartet wird, die einzige Art, GPRS konsumentenfreundlich zu benutzen.

Was der Träger trägt ...

Wir wissen jetzt, dass es vier mögliche Übertragungswege für Daten gibt, die durch WDP zu einer einheitlichen Oberfläche werden. Dadurch können die eigentlichen WAP-Anwendungen darauf aufbauen, ohne sich darum zu kümmern, wie die Daten denn nun tatsächlich unterwegs sind. Darauf liegt als nächste Ebene WTLS, die Sicherheitsebene. Hier werden die Daten auf ihre Richtigkeit geprüft und die Identität des Anwenders kontrolliert, denn schliesslich will man nicht, dass die eigenen Daten auf einem fremden Telefon landen.

Als weitere Ebene gibt es nun das Transaktionsprotokoll WTP, das WAP-Äquivalent zu HTTP im Internet - nur etwas simplifiziert, da die Bandbreiten für Mobiltelefone kleiner als diejenigen sind, die im Festnetz zur Verfügung stehen. WTP unterstützt auch das Zusammenführen mehrerer PDU bezeichneter Dateneinheiten zu einer, was ja erforderlich ist, denn nicht nur SMS oder USSD übertragen Informationen in kleinen Häppchen, sondern auch GPRS und CSD zerlegen die Daten in kleine Pakete. Ausserdem sorgt WTP durch verzögerte Bestätigung dafür, dass die Gesamtzahl an notwendigen Übertragungen reduziert wird. Der Kunde spart Gesprächsgebühren, und der Netzbetreiber kann auf seinen beschränkten Frequenzen mehr Kunden unterbringen.

Darüber liegt noch das Sitzungsprotokoll WSP, das die Verbindung zwischen WAE und zwei verschiedenen Sitzungsdiensten herstellt, wobei mit einer Sitzung eine komplette Verbindung vom Einschalten bis zum Auflegen gemeint ist. Einer der beiden Dienste greift dann auf WTP zu - das ist der Dienst, der wohl häufiger verwendet werden wird, da dies die Sitzung mit Verbindung ist, während der andere Dienst für Sitzungen ohne Verbindung ist, bei denen nur gespeicherte Daten betrachtet werden.

... und was man davon sieht

Ganz obenauf ist die eigentliche Anwendungsumgebung WAE - das Einzige, was man im realen Betrieb von all den WAP-Ebenen sehen sollte. WAE entspricht dem Internet Explorer oder Netscape beim Internet und interpretiert sowohl WML als auch WMLScript, die Handy-Äquivalente von HTML und JavaScript. Damit sind im Prinzip fast alle Funktionen möglich, die auch im Internet zur Verfügung stehen, nur eben speziell für das Handy und sein kleineres Display angepasst.

Eine dritte Funktion der WAE soll die Telefonanwendung WTA werden. Damit würden die Funktionen des SIM-Toolkits in WAP integriert werden. Für den Benutzer würde es zweifellos komfortabler sein, wenn er direkt von der einfachen WAP-Oberfläche aus auf diese Funktionen zugreifen kann, jedoch hat man sich derzeit noch nicht darauf geeinigt, wie es in die Praxis umgesetzt werden soll, und es sieht im Moment auch nicht so aus, als ob das bald der Fall sein würde.

Was sonst noch fehlt

Unter «Push-Operationen» versteht man, wenn dem Handy ohne Anforderung durch den Benutzer Daten zugespielt werden. Solche Operationen kommen sowohl bei SMS als auch bei Netzwerk-Updates via SIM-Toolkit vor. Bei WAP soll das zum Beispiel nicht nur für Nachrichtendienste verwendet werden, sondern auch, um Konfigurationsdaten an das Handy zu übertragen. Der derzeitige Vorschlag sieht vor, SMS dafür zu verwenden, bis die noch offenen Fragen geklärt sind.

Ein weiteres Problem ist die Sicherheit. WML verwendet durch WTLS automatisch nur sichere, verschlüsselte Verbindungen, was für die Abwicklung von Bankgeschäften oder Einkäufen mit dem Handy sehr sinnvoll ist. Im WAP-Gateway werden aber die WTLS-Daten entschlüsselt und dann für die Weiterleitung an die Bank, das Kino oder wohin sonst auch immer als HTTPS wieder verschlüsselt. Auf dem Gateway selbst liegen die Daten in unverschlüsselter Form vor, und zwar sowohl die vom Handy empfangenen, als auch die Daten aus dem Internet - ein Problem, das bei Internet-Providern nicht auftritt, da hier die Daten unterwegs nicht entschlüsselt werden müssen.

Ein weiteres Manko ist, dass WAP noch keine Kompression für den Text enthält, sondern nur für die Formatierungsbefehle. Da die Grösse einer «Deck» genannten Seite auf 1'400 Byte limitiert ist, stellt das eine kleine Einschränkung dar. Klein deshalb, da einerseits WSP zwischen Gateway und Handy einen grösseren Umfang der Datenpakete aushandeln kann, wenn beide Seiten dazu fähig sind, andererseits WTP Nachrichten Seiten in kleinere Pakete zerlegen und dann wieder zusammensetzen kann.

Etwas, das viele Anwender nicht so sehr stören dürfte, ist, dass «Cookies» von WAP noch nicht unterstützt werden. Wenn man aber personalisierte Web-Seiten wie etwa den persönlichen «Standard» schätzt, dann ist das ein Problem, da die Informationen für die Personalisierung als Cookies abgelegt werden. Zudem vergeben viele Anbieter Zugriffsberechtigungen für kostenpflichtige Seiten als Cookies, womit diese Seiten derzeit für Handyaner trotz WAP nicht verfügbar sind.

Ist WAP auch weltweit?

Schliesslich muss ja auch noch das Handy WAP-fähig sein, was nicht nur ein grösseres Display erfordert, damit sich die Seiten auch lesen lassen, sondern erfordert auch mehr internen Speicher, um die Seiten zu erfassen und zu verarbeiten. Ausserdem will man ja auf SIM-Toolkit und SMS nicht verzichten, weshalb sowohl WAP-Handys als auch die neuen Gateways der Netzbetreiber alle drei Technologien unterstützen müssen.

Bei all diesen kleineren Nachteilen hat WAP aber auch einen gewaltigen Vorteil. Denn WAP ist mehr als nur Internet auf dem GSM-Handy: Es stellt diese Funktionalität auch auf TDMA-Netzwerken, die GPRS unterstützen, sowie allen CDMA-Netzwerken zur Verfügung. Und auch das zukünftige UMTS wird WAP unterstützen können - was aber alles kein wirkliches Wunder ist, da man auf das Internet ja auch von allen Computern aus zugreifen kann, egal ob sie unter Windows, MacOS, Unix oder Linux laufen.

Über die praktischen Anwendungen von WAP mehr in der nächsten Folge in MOBILE TIMES 16.

Michael Köttl/fwk


Abkürzungen

CDMA
Code Division Multiple Access
CSD
Circuit Switched Data
GPRS
General Packet Radio Service
GPRS
General Packet Radio Service
GSM
Global System for Mobiles
HDML
Handheld Device Markup Language
HDTP
Handheld Device Transport Protocol
HLR
Home Location Register
HTML
HyperText Markup Language
HTTP
HyperText Transport Protocol
HTTPS
HyperText Transport Protocol Security
PDU
Protocol Data Unit
TLS
Transport Layer Security
UDP
User Datagram Protocol
UMTS
Universal Mobile Telephone System
USSD
Unstructured Supplementary Services Data
WAE
Wireless Application Environment
WAP
Wireless Application Protocol
WDP
Wireless Datagram Protocol
WML
Wireless Markup Language
WSP
Wireless Session Protocol
WTA
Wireless Telephony Application
WTLS
Wireless Transport Layer Security
WTP
Wireless Transaction Protocol


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