Serie Mobile Datenübertragung

Teil I - Machen wir's kurz

Was bedeutet eigentlich Datenübertragung? Was kann man damit machen? Und vor allem: Wie geht das denn nun? Diese Fragen wollen wir versuchen in unserer neuen Serie zu beantworten.


Dass wir überhaupt von Datenübertragung sprechen, hat einen historischen Grund: Denn ursprünglich waren die Möglichkeiten zur Sprachübertragung und die zur Datenübertragung Welten voneinander entfernt. Genaugenommen kam die Datenübertragung sogar zuerst - ausser man bezieht lautes Rufen mit ein -, da das Schwenken von Fackeln oder Fahnen ja nur Daten überträgt, aber nicht Sprache.

Die ersten elektrischen Hilfsmittel für diesen Zweck - Telegraph und Telefon - waren wiederum nicht mobil, und noch am Anfang dieses Jahrhunderts war die Brieftaube die zuverlässigste und sicherste Methode der mobilen Datenübertragung. Zwar war das Radio schon 1894 erfunden worden, und die erste Übertragung von Sprache statt Morsesignalen fand schon 1906 statt, doch waren diese Anlagen gross und schwer, womit sie sich bestenfalls für Schiffe eigneten.

In den folgenden Jahren wurden - vor allem auf Druck des Militärs im ersten Weltkrieg - mobile Einheiten gebaut, aber der Schwerpunkt der Entwicklung lag auf der Sprachübertragung, und die Datenübertragung kam über Morseimpulse nicht hinaus.

Morse ist digital

Erst als während des zweiten Weltkriegs Computer erfunden wurden, kam man auf die Idee, dass Morsesignale ja ein digitaler Code sind. In rascher Folge wurden andere Codierungsverfahren erfunden, von denen sich für den zivilen Gebrauch vor allem der ASCII-Code durchsetzte, den man heute auf jedem Computer findet. Mobile Anwendungen davon gab es damals - ausserhalb militärischer Anlagen - aber nicht.

Auch die ersten mobilen Kommunikationsmittel für den zivilen Bereich unterstützten nur Sprachübermittlung, aber keine Datenübertragung. Das änderte sich erst mit GSM. Denn mittlerweile war die Computertechnologie so weit fortgeschritten, dass man einen Computer in der Grösse eines tragbaren Telefons herstellen konnte. Damit war die digitale Übertragung von Informationen von einem mobilen Standort aus nicht länger Utopie, sondern Realität. Und wenn die Sprache digital codiert übertragen wird, so kann man auf dem selben Weg natürlich auch Daten übertragen. Daher enthielt GSM schon in der ursprünglichen «Phase 1»-Spezifikation eine Anwendung dieser Möglichkeit: SMS.

SMS-Nachrichten bestehen aus bis zu 160 Zeichen in einer beliebigen alphanumerischen Kombination (aber nur 70 Zeichen bei Nicht-Standardschriften wie Arabisch oder Chinesisch), wobei zwischen drei Typen von SMS unterschieden wird: MT, MO und CB. MT steht dabei für «Mobile Terminated», also SMS, die von der Basisstation zu einem Handy hingehen, während MO «Mobile Originated» bedeutet, also SMS, die von einem Handy weg zur Sendestation gehen. CB schliesslich ist «Cell Broadcast», also SMS, die von der Basisstation an alle Handys in dieser Funkzelle gehen. Mit dieser Möglichkeit erfährt der Handybenutzer beispielsweise in der Schweiz, in welcher Funkzelle er sich gerade aufhält.

Wenn das alles wäre, bräuchte man hier keine Serie schreiben, aber seit im Dezember 1992 die erste SMS von einem PC auf ein Handy im britischen Vodafone-Netzwerk gesendet wurde, hat sich einiges getan. GSM ist mittlerweile in «Phase 2+», und die nächsten Erweiterungen wie HSCSD und GPRS sind schon in Aufbau. Wie hat sich das auf die Möglichkeiten für SMS ausgewirkt?

Von Null auf eine Milliarde

Seit im Dezember 1992 die erste SMS verschickt wurde, ist alleine innerhalb der EU die Zahl an SMS auf eine Milliarde im April 1999 angestiegen. Diese Steigerung ist vor allem durch den Zusatznutzen und die gesteigerten Möglichkeiten von SMS bedingt. Denn während zu Beginn SMS nur als Benachrichtigung für Nachrichten auf der Mailbox verwendet wurden, hat es sich bald durchgesetzt, auch SMS vom Handy aus verschicken zu lassen. Die Eingabe ist mit einer 9-stelligen Tastatur zwar etwas mühsam, doch auch dafür gibt es mittlerweile Lösungen: T9 und iTAB.

Dabei handelt es sich um Systeme, die «erraten», was der Anwender einzugeben versucht. Nach dem ersten Buchstaben vermuten die Programme, was der zweite sein könnte (zum Beispiel nach einem «u» schlägt es ein «n» für «und» vor), hat man den zweiten eingegeben, versuchen sie den dritten zu erraten usw. Aber dieses Vorausahnen des Wortes, das eingegeben werden soll, ist natürlich nur so gut, wie das Wörterbuch, das hinter den Programmen steht - und bei Namen versagen sie vollkommen. Aber im normalen SMS-Verkehr stellen T9 und iTAB eine grosse Erleichterung dar, die viel Buchstabenpicken erspart.

E-Mail für alle

Der nächste Erweiterungsschritt in den meisten europäischen Ländern war die Einführung von E-Mail-Diensten via SMS - meist verbunden mit der Telefonnummer als E-Mail-Adresse. E-Mails werden dabei als SMS an das Handy weitergeleitet, und auch Leute, die bis dahin keine Erfahrung mit dem Internet hatten, bekommen so Zugang zu einer der Übertragungsmöglichkeiten dieses Netzes der Netze.

Aber wenn man E-Mail als SMS an das Handy schicken kann, ist dies doch auch mit anderen Texten möglich. Diese Idee war die Grundlage für Informationsdienste, wie sie teilweise von den Netzbetreibern selbst, teilweise auch von Drittanbietern zur Verfügung gestellt werden. Meistens handelt es sich dabei um Nachrichten, Wetter, Sport oder Aktienkurse. Aber auch Konzerttermine, Veranstaltungen oder anderes stehen mittlerweile auf dem Programm, und inzwischen wird auch über Werbung via SMS nachgedacht.

SMS an alle?

Ein Problem, das lange Zeit ungelöst war, war das sogenannte «SMS Interworking». So bezeichnet der GSM-Standard die Übermittlung von SMS zwischen zwei Handys, die bei zwei unterschiedlichen Netzbetreibern zugelassen sind. In der Schweiz hat sich die Swisscom lange gegen direkte Übertragung von diAx-SMS gesperrt. Dafür gibt es aber auch gute Gründe.

Aus wirtschaftlicher Sicht ist es für einen Netzbetreiber oft nachteilig, da die Kunden sich die billigsten SMS-Tarife bei dem SMS-Center mit den besten Dienstleistungen heraussuchen. Diese Hürde kann erst bewältigt werden, wenn die Netzbetreiber bereit sind, sich auf einen intern verrechneten Tarif pro SMS zu einigen. Aber auch technische Hindernisse gilt es aus dem Weg zu räumen, denn die Kanäle, über die SMS übertragen wird, sind dieselben, über die der Aufbau von Gesprächen und andere heikle Aufgaben gesteuert werden. Die Öffnung der Netze für SMS kann also erst erfolgen, nachdem alle Beteiligten die entsprechenden Firewalls und natürlich auch die entsprechende Computerkapazität im SMS-Zentrum installiert haben, um die SMS überhaupt abwickeln zu können.

Bevor man die schweizerischen Netzbetreiber zuviel ob der schleppenden Einführung von SMS-Interworking tadelt, sollte man auch bedenken, dass es Mitte 1999 noch immer Länder wie Deutschland, Portugal und Frankreich gab, in denen diese Probleme noch nicht gelöst waren.

Was mach ich jetzt damit?

Wenn aber diese technischen und wirtschaftlichen Probleme gelöst sind, stellt sich für den Anwender nur noch die Frage, was er mit SMS denn alles machen kann. Und da gibt es neben einfachen Nachrichten an andere Handys oder der Benachrichtigung von der Mailbox noch einige Möglichkeiten.

So wird zum Beispiel derzeit über «Unified Messaging» nachgedacht, bei dem man die Nachrichten, die derzeit getrennt als Fax, E-Mail oder gesprochene Nachrichten auf der Mailbox ankommen, dann in einer einzigen Nachrichtenanwendung abrufen kann, die über SMS betrieben werden soll. Der Schlüssel dahinter ist natürlich «LMS» - Long Message Service -, bei dem mehrere SMS zu einer langen Nachricht zusammengefügt werden können bzw. eine lange Nachricht zum Senden in mehrere SMS aufgeteilt wird.

Auf demselben Prinzip basiert auch der Software-Update der SIM-Karte via SMS CB. Auch das Herunterladen von neuen Rufmelodien aus dem Internet geschieht via SMS - und individuelle Ruftöne werden an Bedeutung immer mehr zunehmen. Denn wenn jeder ein Handy hat: Wie soll man wissen, bei wem es gerade läutet, wenn man nicht eine unverwechselbare Melodie hat?

Regnet es in Kamerun?

Wer die Antwort auf diese Frage wissen möchte, ist gut beraten, einen SMS-Nachrichtendienst zu abonnieren. Denn wenn das Radio immer weniger Nachrichten und immer mehr Musik bringt, dann ist ein Nachrichtendienst die einzige Möglichkeit, immer auf dem neuesten Stand an Informationen zu sein. Doch ob es wirklich genügend Leuten wert ist zu wissen, wie das Wetter in Schwarzafrika ist, um diesen Dienst zu finanzieren, wird sich erst herausstellen. Und wenn die Kunden dafür nicht zahlen wollen, so gäbe es durchaus die Möglichkeit der Werbung - aber wer will schon, dass sich Waschmittel und Windeln auf dem Handydisplay breitmachen ...?

Der virtuelle Sparstrumpf

Wenn man sich die aktuellen Börsenkurse mit einem SMS-Nachrichtendienst zuschicken liesse, dann will man eventuell sofort darauf reagieren. Die Möglichkeit dazu stellt Mobile Banking (oder Handybanking) dar - ein Service, der in der Schweiz erstmals von der Postfinance realisiert wurde. In dieselbe Richtung geht auch E-Commerce, der mit Handys im Unterschied zum Internet tatsächlich elektronisch abläuft. Denn während man im Internet derzeit noch nicht elektronisch bezahlen kann (ausser man rechnet die Abbuchung der Kreditkarte dazu, die es bei Versandhäusern aber schon seit Jahrzehnten gibt), ist es mit dem Handy tatsächlich möglich, virtuell zu bezahlen, und die Güter - zum Beispiel ab Januar 2000 Liftkarten für die Alpenarena Flims Laax Falera - sofort in Empfang zu nehmen. Ein grosser Vorteil - und der Hauptgrund, warum sich das durchsetzt - ist die grössere Sicherheit: Denn bei GSM wirkt ein 128-bit Schlüssel auf 456-bit Datenblöcke, während im Internet immer noch 56-bit Schlüssel auf 64-bit Datenblöcke wirken - ein Verfahren, das zumindest einmal geknackt wurde, während GSM mit heutigen Computern in vernünftiger Zeit nicht entschlüsselbar ist.

Wo ist mein Auto?

Koppelt man ein Handy mit einer GPS-Anlage, kann SMS auch in der Flottenverwaltung von Unternehmen eine wichtige Rolle spielen. Denn wenn jeder Lastwagen jederzeit seinen Standort mitteilen kann, ohne ein proprietäres Satellitensystem zu verwenden, sondern einfach via SMS, ist dies eine bedeutende Erleichterung im Fuhrparkmanagement. Und da die GPS-Daten nur 60 Zeichen belegen, kann man auf den restlichen 100 Informationen wie Fahrzeugidentifikation, Geschwindigkeit usw. mitteilen.

Das Werkzeug der Zukunft

Ein Mittel, das für solche SMS-Anwendungen benötigt wird - insbesondere für sichere Transaktionen -, ist das «SIM Application Toolkit», das mittlerweile ein Teil des GSM-Standards ist. Mit diesem Mittel kann via SMS auf die SIM-Karte im Handy zugegriffen werden. Das ist entweder bei einem Software-Update des Netzbetreibers oder bei finanziellen Transaktionen erforderlich, wo man den anderen Teilnehmer sicher identifizieren will. Das Auslesen der SIM-Karte ersetzt hier die Unterschrift, wie man sie bei herkömmlichen Geschäften kennt. Und da eine SIM-Karte ja mit dem PIN-Code gesichert ist, sollte auch niemand etwas mit einer gestohlenen SIM-Karte anfangen können. Und wenn jemand auf Computerhacker hinweist, kann man dem entgegnen, dass auch konventionelle Unterschriften gefälscht werden können - sogar ohne spezielles Computerfachwissen.

Ein weiteres Werkzeug, das auf SMS aufbaut, ist WAP. Doch davon mehr in den nächsten Folgen.

Michael Köttl/fwk/fak


Abkürzungen

GPRS
General Packet Radio Service
GSM
Global System for Mobile communication
HSCSD
High Speed Circuit Switched Data
LMS
Long Message Service
SMS
Short Message Service
SMS-CB
SMS-Cell Broadcast
SMS-MO
SMS-Mobile Originated
SMS-MT
SMS-Mobile Terminated
WAP
Wireless Application Protocol


Valid HTML 4.01! Text © 2000 by Mobile Times
HTML © 2000-2002 by Mobile Times