UMTS:

Alles oder nichts

Kann das UMTS-System Dienste anbieten, die attraktiv genug sind, um neue Teilnehmer anzuziehen und damit den Aufwand zu rechtfertigen? Gibt es überhaupt den einen Standard, der als die effektivere Lösung die Bereitstellung von Diensten und den Betrieb von Netzen optimieren kann?


Wer sich als Betreiber um eine UMTS-Frequenzlizenz bemüht, muss erst einmal viel Energie und Anstrengung investieren, um sich im Gedränge der Bewerber durchzusetzen. Gehört er zu den wenigen Glücklichen, steht er unter dem womöglich noch grösseren Druck, seine Lizenz dann auch schnellstmöglich nutzbringend einsetzen zu müssen, indem er zum einen für die regionale Flächendeckung und zum anderen für die Deckung seiner Kosten sorgt.

Das Zimbabwean Independent Newspaper Online berichtete von einem Rancher, der - als seine Tochter heiratete - als Brautpreis statt der üblichen Kuh ein Mobiltelefon forderte. Daraus lässt sich unschwer schliessen, dass die mobile Telefonie mittlerweile in jeden Lebensbereich und jeden Winkel der Welt vorgedrungen ist. Und wann immer Märkte derart verführerische Avancen machen, horchen die Betreiber auf.

Eine von der Europäischen Kommission finanzierte UMTS-Studie kam im letzten Jahr zu dem Schluss, dass sich der Anteil der Datenübertragung am mobilen Verkehr drastisch vergrössern wird. Konkret prognostizierte diese Studie eine Zunahme des mobilen Datenvolumens von 0.8 Megabyte auf 30 Megabyte pro Nutzer und Monat.

Diese Annahmen stimmen mit der Entwicklung des Datenvolumens in Festnetzen überein: Hier liegt der Anteil des Datenverkehrs heute bereits bei 40%. Ähnliche Trends werden für die mobile Kommunikation vorhergesagt, sofern die Entwicklung auf dem Markt zu wettbewerbsfähigen Gerätepreisen und Nutzungsgebühren führt.

Der erste Schritt: Hartes Ringen um Frequenzen

UMTS ist der europäische «Standard» für Mobilfunknetze der dritten Generation Weltweit ist das UMTS-System bekannt als «3G Mobile Networks» bzw. «IMT-2000», so getauft vom ITU-Telekommunikationsausschuss der UN.

Die UMTS/3G-Frequenzen werden weltweit im 2000-MHz-Band und darüber zugewiesen (das UMTS-Funkspektrum wurde wie in Bild 1 gezeigt festgelegt).

Wie schon beim GSM-System reichen die verfügbaren UMTS-Frequenzen bei weitem nicht aus, um die enorme Nachfrage zu decken. Der Vorschlag der ETSI hierzu lautet, zunächst ein 60-MHz-Spektrum anzubieten und dieses Spektrum dann zu erweitern, sobald dies durch die Nachfrage nach 3G-Diensten gerechtfertigt ist, was nicht lange dauern dürfte. Doch selbst nach der Freigabe des zusätzlichen Spektrums werden Frequenzen ein knappes und teures Gut bleiben. Diese Frequenzknappheit ist auch der Grund, warum der Betreiber, der zu den Glücklichen gehört, die eine Frequenzlizenz erhalten, strengste Bedingungen zu erfüllen hat: Er muss ein Netz aufbauen, das innerhalb eines fest vorgegebenen Zeitrahmens in der Lage ist, die Region und die vorgesehene Nutzergruppe zufriedenstellend zu versorgen.

Was uns das UMTS-System wie liefern wird

Das UMTS-System wird ein breites Spektrum von Diensten erlauben - von der Sprache über das Schmalband bis hin zu Breitbanddiensten. Ausgangsbasis für die Breitbanddienste wird dabei die paketorientierte Datenübertragung sein. Im Gegensatz zu GSM 2+ und im Einklang mit den ETSI-Anforderungen unterstützt das UMTS-System Datenraten von mindestens 384 kbit/s bei hoher Geschwindigkeit (<=120 km/h) in suburbanen Gebieten und mindestens 2 Mbit/s bei quasistationärem Betrieb (<=10 km/h) innerhalb von Gebäuden sowie im städtischen Nahbereich. Als Schlüsselanwendungen für die Markteinführung des UMTS-Standards werden derzeit das Browsen im Internet (für den Massenmarkt) und der Intranet-Zugang (für das Marktsegment der Firmenkunden) angepeilt. Ausserdem geht man davon aus, dass die meisten UMTS-Lieferanten bis zur Aufnahme des kommerziellen Betriebs bereits über Internet-basierte Anwendungen verfügen werden. Auch Multimedia-Anwendungen, das heisst mit Grafiken und Videoclips aufbereitete Daten, gewinnen zunehmend an Bedeutung. Will man bei diesen datenintensiven Anwendungen eine akzeptable Leistung erreichen, braucht man Technologien für eine superschnelle Datenübertragung - auch in drahtlosen Umgebungen. Die in diesem Zusammenhang ins Auge gefassten Anwendungen sind unter anderem Videokonferenzen, interaktives Entertainment, Telemedizin und TeleEducation, elektronische Zeitschriften, Kooperationsprojekte, Online-Banking, Ortungsdienste, mobiler Internet-Zugang und Micropayment. Bevor entschieden werden kann, wo und wie diese Anwendungen bereitgestellt werden, wird es noch lebhafte Diskussionen über Standards und Standardisierung geben.

Der UMTS-Standard - bisher

Da die ITU davon ausging, dass regionale Digitalsysteme für die Breitbandkommunikation zunächst einmal Interoperabilitäts-Probleme haben würden, erweiterte sie ihr IMT-2000-Systemkonzept um eine Familie von Standards, mit denen die digitale Breitbandkommunikation einheitlich geregelt werden sollte. Dieses Familienkonzept ist der Versuch der ITU, die regionalen Vorschläge unter einen Hut zu bringen. Im Dezember 1998 beschlossen deshalb die Standardisierungsgremien ARIB (Japan), ETSI (Europa), T1 (USA), TTA (Korea) und TTC (Japan) die gemeinsame Ausarbeitung technischer Spezifikationen für ein Mobilfunksystem der dritten Generation, das auf den vorhandenen GSM-Kernnetzen und den Funkzugangstechnologien aufsetzt, die von den mitwirkenden Partnerunternehmen unterstützt werden (das heisst UTRA, sowohl FDD- als auch TDD-Modus). Diese Spezifikationen werden dann die Grundlage für die von den Partnern entwickelten Standards bzw. für Teilbereiche der Standards bilden. Das Projekt läuft unter dem Namen Third Generation Partnership Project und ist unter dem Akronym «3GPP» bekannt. Das 3GPP wird sich mit den anstehenden ITU-Empfehlungen zum Thema Interworking zwischen den Mitgliedern der IMT-2000-Familie beschäftigen. Die Ergebnisse der 3GPP-Arbeit liefern dann wiederum die Ausgangsbasis für die von den Mitgliedern nach dem üblichen Verfahren bereitzustellenden Beiträge.

Die einstimmige ETSI-Entscheidung vom Januar 1998 zur Luftschnittstelle für den UMTS-Standard spezifiziert eine UMTS-Funkschnittstelle (UTRA; UMTS Terrestrial Radio Air Interface), die im «Dual Mode» zwei verschiedene Luftschnittstellen-Technologien unterstützt: Das Frequency Division Duplex (FDD)- und das Time Division Duplex (TDD)-Verfahren. Das ungepaarte Frequenzband der UTRA-Luftschnittstelle befindet sich im TDD-Modus mit TD-CDMA, während für das gepaarte Frequenzband der FDD-Modus mit W-CDMA vorgesehen ist.

Warum FDD und TDD als Zugangsverfahren?

Wie bereits erwähnt, haben die fortlaufenden Bemühungen um die Standardisierung von Technologien kürzlich dazu geführt, dass ganz allgemein zwei Luftschnittstellen-Technologien in Form von zwei Betriebsarten, namlich Frequency Division Duplex (FDD) und Time Division Duplex (TDD), miteinander kombiniert wurden. Durch die parallele Verfügbarkeit beider Technologien profitiert der Endteilnehmer in überlappenden oder diskreten Umgebungen von den Vorzügen beider Zugangsvarianten. Im Klartext bedeutet dies, dass ein Bereichswechsel (Roaming) zwischen den Regionen möglich sein wird, was vor allem dem Endteilnehmer wichtig ist. In Zusammenarbeit mit NEC und dem CATT in China ist es Siemens Deutschland als erstem Unternehmen gelungen, Lösungen anzubieten, die beide Standards unterstützen. Ausserdem werden beide Luftschnittstellen ebenfalls von Siemens unterstützt.

Der FDD-Modus (mit W-CDMA/FD-CDMA*) ist für Anwendungen in öffentlichen Makro- und Mikrozellen-Umgebungen gedacht. Er eignet sich in erster Linie für symmetrische Anwendungen, das heisst Anwendungen wie Videokonferenzen und Sprachverkehr, die im Uplink und Downlink denselben Umfang an Funkressourcen benötigen. Der TDD-Modus (mit TD-CDMA) eignet sich am besten für hohe Datenraten bei symmetrischen (Sprache, Videokonferenzen) und asymmetrischen (Download, Upload) Anwendungen. Seine besonderen Stärken sind öffentliche Mikro- und Picozellen-Umgebungen sowie Anwendungen innerhalb von Gebäuden. Auch für Schnurlos-Anwendungen, die keiner Lizenz bedürfen, kann das TDD-Verfahren eingesetzt werden. Ausserdem geht das GSM Memorandum of Understanding (MoU) davon aus, dass die Asymmetrie zwischen Upstream (UL) und Downstream (DL) bis zur Masseneinführung des UMTS im Jahr 2005 noch um den Faktor 1:5 zunehmen wird. Treibende Kraft wird hier vor allem der mobile Web-Zugang sein.

Für den Netzbetreiber und den mobilen Telekommunikationsnutzer werden die wichtigsten Errungenschaften dieser Entwicklung höhere Kapazitäten und höhere Datenübertragungsraten sein - wobei höhere Datenübertragungsraten bedeutet, dass UMTS-Dienste aus der Home-Zelle nahtlos für das globale Roaming weitergereicht werden können. Wo dieser nahtlose Übergang weder angemessen noch machbar ist, wird es auf Netzebene ein enges Interworking der Dienste geben. Nur der Dualmode-Betrieb mit TDD und FDD erfüllt alle Voraussetzungen, um diese Marktanforderungen abzudecken. Der TDD-Modus wird an Bedeutung gewinnen, weil der Spektrumbedarf in Zukunft noch stärker asymmetrisch ausgerichtet sein wird, um erweiterte Datendienste unterstützen zu können. Der Downlink-Bedarf wird sehr viel höher sein als der Uplink-Bedarf. Da im TDD-Modus eine flexible Zuweisung der Bandbreite für Uplink- und Downlink möglich ist, kann der Betreiber das verfügbare Spektrum rationeller nutzen. Das genau ist der Grund, warum die Lösung von Siemens beide Technologien für UMTS unterstützt.

UMTS-Rollout

Man geht davon aus, dass der UMTS-Standard schrittweise eingeführt wird, wobei die neuen Zellen vorzugsweise in den Bereichen zum Einsatz kommen, in denen eine Kapazitätssteigerung dringend erforderlich ist (sogenannte «Hotspots»), bzw. in den Bereichen (beispielsweise Flughäfen), in denen die Teilnehmer höhere Datenübertragungsraten benötigen. Zu Beginn wird das GSM-System als Schirmzelle dienen, welche die einzelnen UMTS-Inseln miteinander verbindet.

Selbstverständlich wird der UMTS-Standard anspruchsvolle Multimedia-Dienste ebenso unterstützen wie die traditionellen 2G-Dienste (beispielsweise Sprache) - mit derselben Funktionalität wie der GSM-Standard. Zusatzdienste, die bereits im GSM realisiert sind, werden auch vom UMTS unterstützt. So werden die von Siemens angebotenen UMTS-Netzeinrichtungen beispielsweise das Interworking zwischen diesen beiden Diensten in vollem Umfang unterstützen. Der Wechsel zwischen GSM- und UMTS-basierten Diensten wird über Roaming-Vereinbarungen geregelt und selbst über Siemens-fremde UMTS-Netzeinrichtungen möglich sein, solange die Anforderungen der Standards erfüllt werden. Die UMTS-Infrastruktur wird für das Handover von UMTS nach GSM und umgekehrt ausgelegt sein.

Siemens unterstützt das Universal Terrestrial Radio Access Network (UTRAN)-Konzept ohne jede Einschränkung mit den beiden Funkzugangsverfahren FDD und TDD - wobei FDD und TDD mit dem neuen Radio Network Controller (RNC) verbunden sind. Um die Einführung des UMTS-Standards zu beschleunigen, empfiehlt Siemens, eine 3G TDD Base Transceiver Station (BTS) mit einem aufgerüsteten 2G Base Station Controller (BSC) und dem vorhandenen Kernnetz (MSC, GPRS, . ..) zu verbinden. Damit würde man dann eine maximale Datenrate von 384 kbit/s für hohe Geschwindigkeit und maximal zwei Mbit/s für den quasistationären Betrieb erreichen.

Das alles läuft darauf hinaus, dass unser stolzer Vater in Zimbabwe in nicht allzu ferner Zukunft Videos seiner Enkelkinder auf der Weide empfangen können wird, auf der normalerweise eine zusätzliche Kuh grasen würde - gäbe es nicht den UMTS-Standard.

Andrew A. Beutmueller, Siemens AG/fwk


*) W-CDMA ist eher ein Markenname, während es sich bei FD-CDMA um eine technische Bezeichnung handelt


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