Wikinger im Weltraum

THOR I - IV

Norwegen ist in Europa die drittstärkste Satellitenbetreibernation. Warum das so ist, lesen Sie hier.


Das skandinavische Königreich Norwegen mit 324'000 km² und 4'337'000 Einwohnern würde trotz seines Ölreichtums niemand für eine Weltraumgrossmacht halten. Und dennoch ist es so. «Schuld» daran ist das Fernsehen und die norwegische Verfassung. In der steht nämlich, dass jeder Norweger das Recht hat, das norwegische Staatsfernsehen zu empfangen.

Für die damalige PTT - heute Telenor und unter anderem Mitbesitzer des österreichischen Mobilfunkbetreibers Connect - schien das zuerst ein unlösbares Problem, denn Norwegen umfasst nicht nur den in allen Schulatlanten zu findenden Teil der skandinavischen Halbinsel, sondern - wie auf der nebenstehenden Karte zu erkennen ist - auch die kaum besiedelte Inselgruppe Spitzbergen und einige winzige isolierte Inselchen im Atlantik. Eine terrestrische Lösung der Aufgabenstellung schied also aus.

Die einzige brauchbare Möglichkeit war die Ausstrahlung des Fernsehprogramms via Satellit. Die Miete von Transpondern auf fremden Satelliten wäre keine Erfüllung des Verfassungsauftrages gewesen, weil damit Telenor das TV-Programm nicht über eigene Anlagen verbreitet hätte. Also wurde ein Satellit gekauft, der auf den Namen des Donnergottes Thor getauft wurde. Der Satellit - ein «gebrauchtes System» - hatte mehr Kapazität als für Norwegens Fernsehprogramme gebraucht wurde. Man schritt also zur Vermarktung der überschüssigen Kapazitäten. Ein wichtiger Kunde wurde bald in Inmarsat gefunden. Für dieses System ist Norwegen heute der «Hauptlieferant» von Satellitenkapazität.

Inzwischen haben alle skandinavischen Fernsehanstalten Transponderkapazitäten bei Telenor gemietet. Ausserdem dienen die norwegischen Bodenstationen auch als Erdstationen für Satelliten von Astra und Eutelsat. Dazu kommt noch gemietete Kapazität auf Intelsat 707.

Die Thors strahlen nicht nur digitale und analoge Fernsehprogramme aus, sondern haben auch durchaus andere interessante Zwecke. So kann etwa die Software des Nokia-Mediamasters, einer Set-Top-Box für digitales Fernsehen, durch den Endkunden selbst via Thor upgedatet werden.

Als Bodenstation entstand nördlich von Oslo in Nittedal ein Antennenpark, der in seinen Dimensionen wohl nur von dem im italienischen Fucino übertroffen werden dürfte. Dieser Park hält inzwischen den Kontakt mit vier eigenen Satelliten, die alle «Thor» heissen. Obwohl nicht baugleich - die jüngeren Thors wurden bereits auf Bestellung für Telenor gebaut - wurden sie Thor I bis Thor III benannt. Thor IV ist noch nicht im Orbit, aber bereits bestellt. Für Inmarsat gibt es in Norwegen inzwischen einen zweiten Antennenpark in Eik.

Auf Spitzbergen - der eigentlichen Ursache des Satellitenfiebers - steht natürlich auch eine Bodenstation: Isfjord Radio sorgt für Empfang und Verteilung vor allem von Radioprogrammen. TV kommt ja via Satellit ...

Dass Norwegen auf dem Festland trotz der gebirgigen Landschaft und der geringen Besiedlung wahrscheinlich keinen TV-Satelliten gebraucht hätte, kann man durch einen Analogschluss feststellen: Bei einem Besuch von MOBILE TIMES im Osloer Hauptquartier der Telenor wurde uns versichert, dass man die komplette Flächendeckung im GSM auch ohne 450 MHz ausschliesslich mit 900 und 1800 MHz schaffen wird.

Der Satellitenbetrieb der Norweger, der europaweit vermarktet wird (acht Länder sind bereits Kunde; zuletzt wurde die slowakische PTT gewonnen), ist eine eigene Profit-Unit, die im letzten Jahr einen Umsatz von rund 250 Millionen Dollar erwirtschaftete. Was so eine Verfassungsbestimmung alles bewirken kann ...

fak/fwk


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