GSM-Praxis

Das Baltikum

9 × GSM

Baltia nannten antike Geografen eine mythische Insel, von welcher der Bernstein herkommen soll. Nach diesem Ausdruck wurde die Ostsee Baltisches Meer und schliesslich auch die südliche Küste Baltikum genannt.

Die drei baltischen Länder Estland, Lettland und Litauen bilden den Kern des besprochenen Gebietes. Den südlichen Abschluss stellt der Bezirk Kaliningrad der russischen Republik dar. Am Nordende befindet sich der Bezirk Leningrad - er heisst wirklich so - mit der Hauptstadt Sankt-Petersburg.


Streng genommen sind ja nur Lettland und Litauen die «baltischen Länder», in denen die indogermanischen «baltischen Sprachen» Lettisch und Litauisch gesprochen werden, während Estnisch eine dem Finnischen sehr eng verwandte Sprache ist.

Ziemlich dunkel ist die Geschichte dieser europäischen Gegend: Abgesehen von der Zeit der Römer, die davon berichteten, dass in der Gegend, wo das Bernstein herkommt, Menschen leben, die eine dem Latein ähnliche Sprache sprechen - überraschend viele litauische Namen enden tatsächlich auf «us» -, wissen wir sehr wenig über die Entwicklung dieses Gebietes. Knut der Grosse, im 11. Jahrhundert König unter anderem von Dänemark, England, Norwegen usw., besass eine Stadt namens Truso an der einst «Frisches Haff» genannten Ostsee-Lagune. Waldemar der Grosse erwarb Kurland - ungefähr dort, wo heute Lettland liegt - und Estland. Später wurde das Gebiet vom heute in Wien ansässigen Deutschen Orden erobert, dessen Staat um 1400 von westlich der Weichsel bis zur Narwa - wo seine Herrschaft an das russische Fürstentum Novgorod grenzte - reichte.

Litauen grenzte damals noch gar nicht wirklich an die Ostsee. Die Litauer stiegen aber im 14. Jahrhundert zur Vormacht in Osteuropa auf und errichteten ein Grossreich, das von der Ostseeküste bis zur damaligen türkischen Grenze im Süden reichte.

Im 15. Jahrhundert wurden dann Polen und Litauen zum polnisch-litauischen Grossreich vereinigt, das dann mit dem Grossfürstentum Moskau um die Vorherrschaft im Osten des Kontinents stritt. Der nach wie vor bestehende Staat des Deutschen Ordens ging im wesentlichen während der Reformation zugrunde. Nur das spätere Ostpreussen blieb als Herzogtum Preussen unter polnischer Lehenshoheit bestehen.

Estland fiel kurz an Russland, das es aber sehr bald an Schweden abtreten musste. Auch das südlich davon gelegene Livland wird schwedisch, später polnisch.

Im Endeffekt endet der Kampf damit, dass alle drei baltischen Völker - die Esten, Letten und Litauer - unter russische Herrschaft geraten.

Dort bleiben sie bis zum ersten Weltkrieg, in dessen Folge erstmals Nationalstaaten der drei Völker entstanden, die aber im Einvernehmen zwischen Hitler und Stalin 1940 durch die UdSSR beendet wurde. Es folgte eine Ansiedlungspolitik, die dazu führte, dass in allen drei Staaten ein relativ grosser Anteil an russischer Bevölkerung lebt.

Die GSM-Netze

Die 1989 wieder unabhängig gewordenen Länder versuchten rasch Anschluss an die westliche Wirtschaft zu finden. Ein hohe Priorität hatte dabei die Telekommunikation.

Am leichtesten hatte es dabei Estland, weil die (fast) gemeinsame Sprache mit den Finnen diese sehr schnelle investieren liess. So entstand als Ableger der finnischen Radiolinja - bekanntlich Besitzer des ersten GSM-Netzes der Welt - die litauische Radiolinja. Parallel dazu wurde als Tochter der nationalen Telefongesellschaft die estnische Mobiltelefongesellschaft EMT aufgebaut und schliesslich eine dritte Lizenz an die Firma Ritabell, deren Netz jetzt Q-GSM heisst, vergeben.

Die beiden anderen Länder haben jeweils nur zwei GSM.-Betreiber. In Lettland sind dies Baltcom und LMT (an der neben der nationalen Telefongesellschaft Lettland auch die finnische Sonera und Schwedens Telia beteiligt sind) und in Litauen Bité GSM und Omnitel.

Alle diese Netze sind 900-MHz-Netze. Im Stadtzentrum der estnischen Hauptstadt Tallinn sind auch einige 1800-MHz-Basisstationen von EMT und Radiolinja in Betrieb. In Lettland hat Baltcom eine Genehmigung für zusätzliche 1800er-Frequenzen und in Litauen soll Bité demnächst mit 1800-MHz-GSM im Betrieb gehen. Vorläufig macht sich GSM-1800 aber - abgesehen von einigen Ortsteilen der jeweiligen Hauptstädte - noch nicht bemerkbar.

Auch in Russland tat sich nach dem Ende der sowjetischen Ära einiges, und so wurde aus der Stadt Leningrad wieder Sankt-Petersburg, und auch dort errichteten die Finnen ein GSM-900-Netz, das als NorthWest GSM bezeichnet wird. Am südlichen Ende der besprochenen Gegend erwarb die Deutsche Telekom eine Lizenz und begann mit der Errichtung des Extel-Netzes, das heute der Telenor gehört.

Insgesamt gibt es also an der südlichen Ostseeküste überall GSM-900-Netze, und in Estland und Litauen ist man auch dabei, 1800-MHz-GSM zu nutzen.

Die Technik

Die Netze sind hauptsächlich ein Heimspiel für Nokia und Ericsson: NorthWest GSM, Radiolinja Eesti, LMT und Omnitel setzten auf Nokia, während EMT, Baltcom und Bité Ericsson bevorzugten. Auch Siemens konnte sich ein Stück vom Kuchen abschneiden und gewann Extel - noch zu Zeiten der deutschen Telekom - und Q-GSM bzw. Ritabell. Ausserdem gab es auch Aufträge von Omnitel.

Die Coverage

Wie unserer Karte zu entnehmen ist, hat Estland die deutlich beste Coverage und auch Litauen entspricht - wenigstens wenn man mit einem Autotelefon unterwegs ist -, dem, was wir in Westeuropa gewohnt sind. In Lettland sieht die Sache etwas anders aus, denn dort sind erst die Hauptstrecken gut mit GSM versorgt, während das Land dazwischen auf den Ausbau, der für dieses und nächstes Jahr geplant ist, wartet.

Eher mager sieht es im Bezirk Kaliningrad aus, wo der Ausbau von Extel nicht sehr weit gediehen ist. Das dürfte sich aber mit der Übernahme des ehemals von der deutschen Telekom betreuten Netzes durch die norwegische Telenor, die ja demnächst mit der schwedischen Telia fusioniert, ganz schnell ändern.

Am Ostende des baltischen Meeres überrascht NorthWest GSM mit einer relativ guten Coverage, die längst nicht mehr nur das Stadtgebiet von Sankt-Petersburg umfasst, sondern immer mehr grössere Orte auch in der autonomen Republik Karelien. Die Netzdeckung reicht - mit Lücken - jedenfalls bis zur finnischen Grenze.

Eine andere Überraschung bietet Pskov an der polnischen Grenze, wo ein GSM-Netz von MTS - das also auch nicht nur im Raum Moskau tätig ist - zu finden ist.

Ein Sonderfall ist das GSM-Netz in Novgorod - nicht zu verwechseln mit Nishni Novgorod -, das zwar von einer lokalen Gesellschaft verwaltet wird, sich dem roamenden Fremden gegenüber ebenso verhält, wie das Netz von NorthWest GSM.

Roaming

Für uns Schweizer ist es praktisch überall möglich zu telefonieren, weil unsere Netzbetreiber in allen in Frage kommenden Gebieten mit Ausnahme von Kaliningrad Abkommen haben.

Die Preise für Roaminggespräche in die Schweiz waren allerdings noch im September so hoch, dass sich ein Satellitentelefon allemal gelohnt hätte: In der Spitzenzeit kostete es aus Lettland rund Fr. 4.95 pro Minute, aus Litauen Fr. 2.65 und aus Estland immer noch Fr. 2.20 pro Minute. Aus Sankt-Petersburg geht es auf über Fr. 7.- hoch.

Inlandgespräche sind vergleichsweise preiswert: In Estland und Lettland Fr. 0.70 pro Minute und in Litauen Fr. 1.-. Lokal sind die Preise in Sankt-Petersburg ähnlich. Teurer wird es in den Weiten Russlands - das ist aber eine andere Geschichte ...

fak/fwk


Die Netze

LandNetznameCodeDisplayMHzNetz
Start
Roaming mit
ESTLANDEstonian Mobile Telephone248 01EE EMT900/18001995-01SwisscomdiAx-
Radiolinja Eesti AS248 02EE RLE900/18001995-01Swisscom--
Q GSM248 03Q GSM9001996-09Swisscom--
LETTLANDLatvian Mobile Tel. Co. GSM247 01LMT GSM9001995-01SwisscomdiAxOrange
Baltcom GSM247 02BALTCOM900/18001997-03Swisscom--
LITAUENÔmnitel246 01OMT9001995-03SwisscomdiAxOrange
UAB Bité GSM246 02Bité GSM900/18001995-08Swisscom--
RUSSLAND
Bezirk KaliningradJSC Extel250 28EXTEL RUS9001998-04---
Bezirk LeningradNorth-West-GSM250 02NWGSM9001995-01SwisscomdiAxOrange
Bezirk PskovMTS250 01MTS900aktivSwisscomdiAxOrange

Touristisch sind die baltischen Länder noch kaum erschlossen, der Geschäftsreiseverkehr ist aber schon angelaufen. Solche Reisenden haben auch weniger Probleme mit den doch noch relativ hohen Mobilfunkgebühren, die am Südrand der Ostsee erhoben werden. Dafür gibt es in diesen Ländern teilweise bereits Dienste, auf die wir noch warten, so eigene Taxikurzrufnummern für Benutzer von Mobiltelefonen - je nach Netzbetreiber verschieden und auch nicht in jeder Stadt gleich. Teilweise werden auch - anders als bei uns - Equipment Identity Register (EIR) geführt, die das Auffinden gestohlener Handys ermöglichen.


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