Serie GSM

Teil V - Schau mal wer da spricht

Bei GSM gibt es nicht nur die Gespräche zwischen den Teilnehmern. Auch Handys und Basisstation haben allerhand miteinander zu plauschen - allerdings weder über Wetter noch Politik, sondern nur über Methoden, miteinander zu sprechen.


In der letzten Folge haben wird festgestellt, dass die Sprache, die beim Mikrofon in das Handy hineingeht, eine schier endlose Folge von Rechenschritten über sich ergehen lassen muss, bevor ein Signal vorhanden ist, das an die nächstgelegene Basisstation gesendet werden kann. Aber woher weiss das Handy, wohin es das Signal nun schicken soll? Ganz einfach: Es fragt nach.

Wo seid ihr denn alle?

Das Geplaudere zwischen Basisstation und Handy beginnt in dem Moment, in dem das Handy eingeschaltet wird. Denn nachdem es die interne Software hochgefahren hat, beginnt es einerseits, seine eigene Kennung auszusenden und andererseits, auf Kennungen im Äther zu lauschen. Doch das Handy kann natürlich seine Kennung nicht irgendwohin senden, da es sonst Gespräche anderer Teilnehmer stören würde. Daher gibt es neben den Gesprächskanälen auch noch Kontrollkanäle, über welche die gesamte Kommunikation zwischen den Maschinen abläuft.

Bevor es aber noch ausposaunt, wer es denn nun eigentlich ist, lauscht das Handy erst einmal, ob es denn eine Basisstation findet. Was es dann findet, wenn es alle Kanäle durchgeht, ist der BCCH (Broadcast Control CHannel = Kontrollkanal, der breit ausgestrahlt wird) - ein Kanal, auf dem die Basisstation ununterbrochen mitteilt: «Ich bin eine Basisstation von Netzwerk XYZ. Ich verwalte die Frequenzen A, B und C auf diese und jene Art.» Das Handy antwortet in diesem Moment aber noch nicht, da es bei seinem Durchsuchen aller Kanäle meist auf mehrere Basisstationen stösst. Denn erstens überlappen die Funkzellen der einzelnen Betreiber, so dass man an einem Punkt bis zu drei Zellen eines Betreibers auffinden kann, und zweitens gibt es mehr als nur einen Betreiber.

Das arme Handy kann also bis zu neun Basisstationen gleichzeitig empfangen. Zum Glück kann es leicht aussortieren, bei welcher davon es sich anmeldet. Denn einige Basisstationen gehören einem «falschen» Betreiber. Der Netzwerkcode, den die Basisstation aussendet, stimmt nicht mit dem auf der SIM-Karte gespeicherten Code überein. Von den übrigbleibenden Stationen wählt das Handy diejenige aus, die es am stärksten empfängt.

Wer als Roamer im Ausland unterwegs ist, macht es dem Handy nicht leicht, da es nun bei allen empfangenen Basisstationen anfragen muss, ob es sich denn dort anmelden dürfte.

Wer bin ich?

Nachdem das Handy nun weiss, wer sein Ansprechpartner ist, identifiziert es sich. Auf dem RACH (Random Access CHannel = wahlfreier Zugangskanal) - dessen Frequenz ja im BCCH bekanntgegeben wurde - teilt das Handy mit: «Ich bin ein Handy. Darf ich mitspielen?» Wenn die SIM-Nummer zum Netzwerk passt, wird die Basisstation auf dem AGCH (Access Grant CHannel = Zugangsgewährungskanal) antworten und dem Handy einen SDCCH (Stand-alone Dedicated Control CHannel = Alleinstehender gewidmeter Kontrollkanal) zuweisen, der dann für die Dauer der Anmeldung dem Handy alleine gewidmet ist.

Auf dem SDCCH kann das Handy dann mitteilen «Ich bin ein Handy mit der SIM-Nummer 1-2-3-4-5-6-7-8-9.» Die Basisstation fragt dann beim Zentralrechner des Netzbetreibers an, ob ein Handy mit dieser SIM-Nummer im Netz zugelassen ist. Beantwortet der Zentralrechner die Anfrage positiv, bestätigt die Basisstation dem Handy, dass sie weiss, dass es da ist, und dass es in der Zelle funken darf und vor allem, auf welcher Frequenz das Handy einen TCH (Traffic CHannel = Verkehrskanal) zugewiesen bekommt.

Da man ja auch ein Roamer aus einem ausländischen Netz sein könnte, ist bei einer negativen Anfrage an den Zentralrechner noch nichts verloren. Denn dieser leitet an die Basisstation ein «Moment mal, da muss ich selbst erst nachsehen.» weiter und schaut in seiner Datenbank nach, ob die Anfangsziffern der SIM zu einem Netz passen, mit dem ein Roaming-Vertrag besteht. Ist das der Fall, fragt es beim Zentralrechner dieses anderen Netzes nach, ob die angegebene SIM-Nummer in dem Netz zugelassen ist. Wird das vom anderen Netz bestätigt, teilt der hiesige Zentralrechner der Basisstation mit, dass alles in Ordnung ist, und die Anmeldung kann weitergehen.

Ist die Anmeldung aber erfolgt, gibt es eine Rückmeldung von der Basisstation an den Zentralrechner und von dort an den Zentralrechner des anderen Netzes. So weiss der Computer des GSM-Netzes immer, wo jedes seiner Schäflein ist. Das werden wir später noch brauchen.

Nicht so laut!

Sobald das Handy angemeldet ist, steht es mit der Basisstation in dauernder Verbindung - dies aus drei Gründen: Um das Handy, wenn es sich bewegt, an andere Zellen des Netzes weiterzureichen, um Gespräche zu beginnen und um ihm zu sagen, dass es nicht so laut sein soll. Für diese Zwecke gibt es zwei weitere Kontrollkanäle, die aber im Unterschied zu den anderen nicht fix sind, sondern in die Zeitschlitze der Gesprächskanäle eingebettet werden. Und weil sie mit den Gesprächskanälen «assoziiert» sind, werden sie auch Associated Control CHannels (FAACH und SAACH) genannt, wobei das F bzw. S für Slow und Fast stehen, was sich auf die Datenrate bezieht, die über diese Kontrollkanäle fliesst.

Auf dem FAACH läuft die ständige Kontrolle des Handys. Es teilt der Basisstation auf diesem Kanal laufend mit, wie laut es denn die Basisstation empfängt. Gleichzeitig sagt die Basisstation dem Handy, wie stark es selbst senden soll - und zwar so leise wie möglich. Der Benutzer spart - wenn die Algorithmen zur Leistungssteuerung gut sind - Akkuleistung; der Netzbetreiber kann mehr Kunden annehmen, da bei geringerer Sendeleistung die Zellen kleiner sein können, ohne sich gegenseitig zu stören.

Wenn das Handy die Basisstation einmal wirklich kaum noch versteht, teilt ihm die Basisstation die FAACH der Nachbarzellen mit, damit das Handy sich dort anmelden kann. Welche Nachbarzelle die Basisstation wählt, wird durch das Handy gesteuert. Denn das Handy hört ja ständig BCCHs ab, und zwar aller Zellen, die es empfangen kann. Und die wahrgenommene Signalstärke teilt es der Basisstation mit, die daraus errechnet, wann ein Handover an eine Nachbarzelle erforderlich ist.

Wenn man am Rand zweier Sendezellen unterwegs ist, könnte es aber passieren, dass die andere Basisstation keinen besseren Empfang gewährleistet, und man ständig zwischen den beiden Basisstationen hin- und hergereicht wird. Dabei würde jede Basisstation dem Zentralrechner mitteilen «Chef, das Handy 123456789 ist jetzt bei mir.» Um das zu vermeiden, da es ja auch Übertragungskanäle belegt, sind diese kleinen Bosse recht faul, und teilen das eben nicht automatisch mit, sondern das Handy muss den BCCH abhören, und wenn es dort eine andere Basisstation hört, dieser mitteilen, dass diese dem Zentralrechner mitteilen möge, wo es jetzt sei.

Ich will jetzt was sagen!

Der eigentliche Sinn eines Handys ist es aber, Gespräche zu führen. Dazu richtet das Handy eine Anfrage an die Basisstation, die natürlich wieder auf dem RACH läuft. Und die Basisstation wird dem Handy wieder auf dem AGCH einen SDCCH zuweisen, auf dem die folgenden Prozeduren abgewickelt werden: Das Handy teilt einmal mit, wen es denn sprechen möchte. (Eigentlich will ja der Besitzer des Handys mit einer Person sprechen, aber vom Netzwerk aus gesehen will das Handy mit einem Telefon kommunizieren. Menschen haben da keinen Platz.)

War keine Vorwahl vorhanden, dann nimmt die Basisstation in vielen Netzen einmal an, dass die Telefonnummer zu einem Handy desselben Netzes gehört, und fragt bei der Zentrale nach «Bitte - wo ist 123456789 gerade?» Weiss der Zentralrechner von einer seiner Basisstationen, wo das Handy ist, wird der Anruf dorthin weitergeleitet. Hat er aus dem Ausland von einer dortigen Anmeldung erfahren, leitet er das Gespräch dorthin weiter, und der dortige Zentralrechner sucht dann diejenige von seinen Basisstationen, in der das Handy angemeldet ist. Wenn aber keiner eine Basisstation findet, bei der das Handy aktuell gemeldet ist, dann hören wir Menschen die nette Meldung «Der gewünschte Teilnehmer ist vorübergehend nicht erreichbar.»

War aber doch eine Vorwahl bei der Nummer, die das Handy an die Basisstation geschickt hat, dann sieht der Computer des GSM-Netzes in seiner Liste nach, an welches Wählamt er denn nun weiterverbinden muss. Das Wählamt leitet den Anruf dann an das entsprechende Festnetztelefon weiter. Wenn es ein digitales Wählamt ist, sieht der dortige Computer in einer Liste nach, andernfalls aber klicken einige Relais und schalten eine Leitung frei. Das Resultat ist aber dasselbe: Ein Telefon klingelt.

Da will wer was von dir!

Geht der Anruf an ein Handy, das tatsächlich gefunden wurde, oder kommt ein Anruf von aussen an unser Handy, piept die Basisstation das Handy auf dem PCH (Paging CHannel) an, um ihm mitzuteilen, dass da ein Anruf kommt, was das Handy dazu veranlasst, zu klingeln oder zu vibrieren, damit sein Besitzer hoffentlich abhebt.

Das eigentliche Gespräch läuft dann natürlich über einen der vielen TCH (Traffic CHannel = Verkehrskanal). Aber welches Sprachpaket über welchen Zeitschlitz auf welchem Kanal läuft, wird über den SAACH geregelt. Denn für eine optimale Nutzung der Gesprächsfrequenzen wird jeder Gesprächskanal in zeitlich aufeinanderfolgende Übertragungsrahmen zerlegt, die wieder aus jeweils acht Zeitschlitzen bestehen, wobei in jeden Zeitschlitz zwei Datenblöcke kommen. Ein Gespräch wird so verteilt, dass in einem Rahmen jeweils die ersten Blöcke der ersten vier Zeitschlitze und die zweiten Blöcke der zweiten Zeitschlitze mit Datenpäckchen desselben Gesprächs belegt werden. Der nächste Übertragungsrahmen mit Datenpaketen desselben Gesprächs ist dann aber schon auf einer anderen Frequenz.

Und auf dem SAACH teilt die Basisstation dem Handy mit, in welchem Übertragungsrahmen es auf welcher Frequenz senden muss - oder genauer gesagt in welchem Kanal. Denn die Zuordnung von Frequenzen zu einzelnen Kanälen wird im BCCH ja ohnehin kontinuierlich mitgeteilt.

Man sieht: Nicht nur wir reden viel - auch unsere Handys.

Michael Köttl/fwk


ABKÜRZUNGEN

AGCH
Access Grant CHannel
BCCH
Broadcast Control CHannel
CCCH
Common Control CHannel (gemeinsamer Name für AGCH, PCH und RACH)
FACCH
Fast Associated Control CHannel
PCH
Paging CHannel
RACH
Random Access CHannel
SACCH
Slow Associated Control CHannel
SDCCH
Stand-alone Dedicated Control CHannel


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