Zwei ungleiche Gegner und andere Satellitenbetreiber

Wenn alle Telefonleitungen zerrissen und alle GSM-Masten umgestürzt sind, wie soll man dann um Hilfe rufen?

In Mitteleuropa ist es praktisch überall möglich, bei einer Fernsprechzelle oder mit einem Mobiltelefon eine Verbindung in die ganze Welt aufzunehmen. Doch was tut man, wenn alle Telefonleitungen zerrissen und alle GSM-Masten umgestürzt sind? Wer denkt, das kann nicht passieren, wurde diesen Winter eines Besseren belehrt, denn in Galtür im Paznauntal trat genau das ein. Aber es gab eine Lösung.


Letzten November war Iridium - nach einigen Verzögerungen - gestartet, und nur fünf Tage nach dem Start war Iridium schon im Grosseinsatz, als das System verwendet wurde, um den Einsatz der Katastrophenhelfer in Honduras nach dem Hurrikan Mitch zu koordinieren. Und nur kurze Zeit später kam eine zweite Belastungsprobe, als in Österreich nach der Lawinenkatastrophe in Galtür auch dort die Rettungsteams Iridium als Kommunikationsmittel verwendeten. Belastungsprobe deshalb, da eine Vielzahl von Telefonaten in einem kleinen Gebiet natürlich die Kapazitäten des Satelliten, der gerade am Himmel steht, voll in Beschlag nehmen könnte. In beiden Fällen aber war die Kanalkapazität ausreichend, um hervorragende Sprachqualität und durchgehende Erreichbarkeit sicherzustellen. Es drängt sich natürlich die Frage auf, warum Einheiten der amerikanischen Armee statt ihren eigenen Funkgeräten auf das GSM-basierende Iridium-System zugreifen. Darauf gibt es drei Antworten:

Weltweit erreichbar bei beschränkter Kapazität

Natürlich hat Iridium auch Nachteile. Als ersten sollte man vielleicht die Kapazität nennen: Iridium verfügt über 66 Satelliten, die pro Jahr etwa 1,5 Milliarden nutzbare Gesprächsminuten bereitstellen, was wiederum weltweit pro Minute etwa 2'852 Gesprächsminuten bedeutet. Anders formuliert können je nach Jahreszeit - denn davon hängt die Aufladung der sonnenlichtgespeisten Akkus der Satelliten ab - drei bis fünf Millionen Benützer eingebucht sein, wenn man durchschnittliches Gesprächsverhalten voraussetzt.

Wenn man bedenkt, dass allein in Österreich und der Schweiz bald vier Millionen GSM-Teilnehmer unterwegs sind, scheint dies relativ wenig zu sein. Aber Iridium ist ja auch nicht für den Betrieb in den Ballungszentren gedacht. Im Gegenteil: Iridium hat mit GSM-Betreibern in 50 Ländern und über 330 grossen Städten bereits Roamingverträge abgeschlossen (in Österreich mit allen drei Netzbetreibern und in der Schweiz mit ???) und erwartet, bis Ende März die 400 wichtigsten Städte der Erde abzudecken. Iridium versteht sich nämlich als Ergänzung zu terrestrischen GSM-Netzen, das dort Coverage anbieten kann, wo andere es nicht können.

Doch nicht nur in Katastrophengebieten ist dieser Umstand gegeben, denn bis zum Jahr 2002 werden erst 14 Prozent der Landfläche der Erde durch GSM-Netze abgedeckt sein. Ein wichtiges Zielgebiet von Iridium sind auch Flugzeuge, die von den flach strahlenden Sendern am Boden überhaupt nicht erreicht werden. Doch werden viele hier - zu Recht - einwenden, dass der Betrieb von GSM-Handys in Flugzeugen ja verboten ist. Das ändert sich auch bei Iridium nicht, aber mittlerweile hat Iridium gemeinsam mit Allied Signal ein Produkt auf den Markt gebracht, das mit einer Aussenantenne funktioniert und dadurch den Betrieb des Flugzeuges nicht stört. Der Anwender hat dann in seinem Sitz ein Telefon, in das er seine eigene SIM-Karte einlegen und damit nicht nur anrufen kann, sondern auch während des Fluges unter seiner eigenen Nummer erreichbar ist. Die Auslieferung der Einkanal-Version hat Anfang April begonnen, während die Mehrkanal-Version, mit der bis zu acht Gespräche gleichzeitig geführt werden können, Anfang 2000 auf den Markt kommen soll.

Für Schiffe, die ja via normalem GSM auch nicht erreichbar sind, gibt es zwei Systeme von Motorola - dem Hauptbetreiber von Iridium -, von denen das eine als Dockingstation für das Motorola-eigene Iridium-Handy funktioniert, während das andere mit fixer Aussenantenne das Einlegen der SIM-Karte erlaubt.

Mehr Daten gewünscht

Iridium hat derzeit aber noch einen Nachteil, da es als reines Sprach- und Pagingnetz ausgelegt ist und nur mit einer Übertragungsrate von 4,8 kbps fährt, was sogar von terrestrischem GSM mit 9,6 kbps überboten wird. Erst die nächste Generation der Satelliten, die derzeit unter dem Titel «Iridium Next» geplant werden, soll dann mit 384 kbps auch breitbandige Datenübertragung und Bildtelefonie unterstützen. Doch wartet man damit natürlich, bis der Standard für ITU 2000 festgelegt ist, da das System von Iridium Next dieses verwenden wird, genauso wie Iridium heute GSM als System verwendet.

Wenn man aber schon heute mehr Daten übertragen will, gibt es auch dafür eine mobile Lösung: Inmarsat.

Die dritte Generation

Während Iridium viele kleine Satelliten verwendet, sind es bei Inmarsat wenige grosse Erdtrabanten. Seit Inmarsat 1979 als Anbieter für Seefunk gegründet wurde, hat sich vieles geändert. Waren die ersten Endgeräte noch fix eingebaute Anlagen mit einer metergrossen Satellitenschüssel, sind die heutigen Empfangsanlagen nicht grösser als ein Notebook. Auch die nutzbare Datenrate hat sich von 0,6 kbps bei Inmarsat-C bis zu 2,4 kbps bei Inmarsat Mini-M gesteigert. Doch damit nicht genug.

Denn der rasche Fortschritt im Bereich der Telekommunikation hat dazu geführt, dass derzeit schon 40 Prozent des Verkehrs auf dem Inmarsat-System Daten sind, und dieser Anteil wird sich, falls die Entwicklung so weitergeht wie bisher, bis 2003 auf 70 Prozent steigern - eine Entwicklung, an der Inmarsat natürlich nicht unbesehen vorübergehen kann. Schon im April 1996 wurde der erste Satellit der dritten Generation (vom Typ Inmarsat-3) gestartet, die weiteren folgten im September 1996, Dezember 1996 und Juni 1997. Der letzte Satellit schliesslich, der als Orbitalreserve dient, startete im Februar 1998. Mit diesen neuen Satelliten kann eine Datenübertragungsrate von 64 kbps unterstützt werden oder anders ausgedrückt: ISDN. Zusätzlich unterstützen die neuen Satelliten natürlich auch alle bisherigen Funktionen, so dass die fast 80'000 Anwender der verschiedenen Inmarsat-Dienste, die es im Januar 1999 gab, auf nichts verzichten müssen.

Dazu gibt es auch neue Endgeräte, die Antenne, Empfangseinheit und ISDN-Modem in einem etwa vier Kilogramm schweren Gerät von der Grösse eines Laptop integrieren. ISDN ist aber nur das Übertragungsprotokoll, die Idee dahinter ist grösser: GAN - Global Area Network - erlaubt es dem mobilen Teilnehmer, sich mit seinem Notebook via Inmarsat direkt in das firmeneigene LAN einzubuchen und so zu arbeiten, als ob er daheim wäre. Die Verbindung geht dabei - je nachdem, welche terrestrischen Leitungen das LAN nach aussen verbinden - direkt zu einem Inmarsat-Gateway oder über WAN, VPN oder das Internet. Derzeit unterstützte Netzwerkanwendungen sind Microsoft Office, Lotus Notes, Oracle, SAP sowie Anwendungen für E-Mail, Intranet und Videokonferenzen.

Bis jetzt hat Inmarsat für das neue System schon 5'000 Anwender gewonnen, bis zu 25'000 werden erwartet. Aber die Kapazität der Satelliten reicht bis 100'000 Anwender dieses Systems. Man sieht, dass Inmarsat nicht auf den breiten Markt zielt, sondern auf hochkarätige Anwender, die hohe Datenraten benötigen.

Noch mehr Telefone

Daneben ist Inmarsat aber auch an ICO Global Communications beteiligt, die ab nächstem Jahr einen auf zwölf Satelliten basierenden Dienst für Mobiltelefone anbieten werden. Ähnlich wie bei Iridium werden sich die Endgeräte in terrestrische Netze einbuchen, wo dies möglich ist, und dort, wo kein Netz vorhanden ist, über den Satelliten Verbindung aufnehmen. Da die ICO Satelliten in 10'000 km Höhe kreisen, während die Satelliten von Iridium in 480 km Höhe zu finden sind, werden die Endgeräte vermutlich grösser sein und mehr Strom verbrauchen, aber mit der fortschreitenden Miniaturisierung muss das natürlich nicht so sein.

Der schärfste Konkurrent?

Daneben gibt es aber auch noch andere Firmen, die demnächst den Betrieb aufnehmen sollen. Am weitesten gediehen ist dabei wohl Globalstar, die fast zeitgleich mit Iridium ihr Satellitennetz aufzubauen begann. Da sie aber bei den Raketenstarts weniger Glück hatte, war das spannende Rennen, wer zuerst den Betrieb aufnimmt, bald für Iridium entschieden. Derzeit sind von den geplanten 52 Satelliten (davon 4 in Reserve) gerade 16 in ihrem Orbit in 1'414 km Höhe, aber im Laufe dieses Jahres soll mit neun Starts à vier Satelliten das Weltraumsegment fertiggestellt werden, damit man noch diesen Herbst den Betrieb aufnehmen kann.

Auch die Auswahl an Geräten gestaltet sich etwas anders: Während es bei Iridium Handys von Motorola und Kyocera gibt, die mit einem Einsteckmodul für terrestrisches GSM, CDMA oder AMPS tauglich gemacht werden, so gibt es bei Globalstar drei Anbieter: Ericsson und Telital produzieren je ein Dualmode-Gerät für Satellit und GSM, während Qualcomm ein Trimode-Gerät für Satellit, CDMA und AMPS auf den Markt bringt. Und während bei Iridium Allied Signals als Dritter im Bunde das Einbausystem für Flugzeuge herstellt, gibt es für Globalstar fixinstallierte Wertkartentelefone von Schlumberger. Diese sind für Dörfer und Städte in Regionen gedacht, in denen es kein vernünftiges Festnetz gibt, womit in Europa nur mehr die entlegensten Gebirgsregionen übrigbleiben - obwohl oft auch schon die Almhütten einen Telefonanschluss haben. Viel eher ist dabei an Staaten in Südamerika, Südostasien oder Afrika gedacht, die jetzt gerade dabei sind, den technologischen Sprung nach vorne zu machen, dabei aber durch grosse Dschungelgebiete stark behindert werden.

Noch einen Unterschied gilt es festzuhalten: Während das Europa-Hauptquartier von Iridium in Deutschland sitzt und Inmarsat seinen traditionellen Sitz in London hat, wird bei Globalstar Mittel-, Nord- und Osteuropa von der in Rom situierten Elsacom betreut, während Westeuropa das Gebiet der britischen Vodafone und der französischen France Telecom-Alcatel ist.

Alle wollen ins Weltall

Auch Orbcomm, ein System aus 36 Satelliten in 775 km Höhe, das in Europa durch MCS, eine Tochter der Telecom Italia Mobile, vertreten ist, hat mittlerweile seinen Betrieb aufgenommen. Das System bietet im Unterschied zu den anderen keine Sprache oder Breitband-Datenübertragung an, sondern Kurznachrichten mit 2,4 kbps. Dafür ist das System einfacher, robuster und billiger. Mögliche Anwendungen neben einer Zweiwegverbindung über Kurznachrichten ist die Überwachung von abgelegenen Installationen, die Übertragung von Messdaten und, als Zusatz, die Positionsbestimmung. Und das System ist billig genug, dass es sich lohnt, einzelne Frachtcontainer damit zu verfolgen.

Ganz andere Dienste bietet Eutelsat an: Dieses System, das bisher vor allem Satellitenfernsehen übertragen hat, präsentierte 1995 erstmals die DVB-Technik, die im April 1997 mit dem Videokomprimierungsstandard MPEG2 zusammengefasst und für Datenübertragung erweitert wurde. Mittlerweile gibt es auch schon die nötigen Einbaukarten für den PC, über die man den Computer an die Satellitenschüssel anschliessen kann. Derzeit bietet Eutelsat folgende Dienste über seine Satelliten an:

Ein weiterer starker Anbieter für Breitbanddienste, die das Internet-Protokoll unterstützen, ist GE Americom, eine Tochterfirma von General Electrics. Nach drei Satelliten über Nordamerika und einem über Südamerika ist seit Januar 1998 GE-1E auch in Europa aktiv geworden. In diesem Jahr sollen drei weitere Satelliten über den USA sowie einer über Asien folgen. Doch nicht nur daran, sondern auch an der Kundenliste, die von CBS über NBC bis CNN reicht, sieht man, dass die amerikanischen Fernsehsender die finanzielle Basis von GE Americom darstellen. Zusätzlich will man aber jetzt auch - so wie Eutelsat - Video-on-Demand und Breitband-Internet-Zugang anbieten. Und da es seit Mitte 1997 Flachantennen für Satellitenempfang gibt, die sich auf dem Wohnwagen oder anderen Fahrzeugen montieren lassen, kann man die Systeme von Eutelsat und GE Americom sogar als mobil bezeichnen.

Michael Köttl/fwk


Verwendete Abkürzungen:

DVB
Digital Video Broadcasting
GSM
Global System for Mobile communication
ISDN
Integrated Services Digital Network
kbps
KiloBit Per Second
LAN
Local Area Network
Mbps
MegaBit Per Second
MPEG
Motion Picture Experts Group
SIM
Subscriber Identity Module
VPN
Virtual Private Network
WAN
Wide Area Network


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