Die neuen 99er (1):

Smarte Handys

Die CeBIT in Hannover ist längst die grösste Messe der Welt. Alleine die Hallen für Telekommunikation haben zusammengefasst wohl mehr Fläche als alle derartigen Veranstaltungen in der Schweiz und in Österreich zusammengenommen.


Der generelle Trend hiess «Dualband». Keiner der grossen Hersteller kommt ohne solche Geräte aus. Motorola präsentierte gar ein Tripleband-Gerät. Die zweite interessante Erkenntnis war das Auftreten neuer Handy-Herstellern bzw. Neustarts von bisher weniger prominenten Anbietern wie Acer und Mitsubishi. Auch war das Wiederauftauchen von Mike McTighe - ehemals Philips-Handy-Boss - als neuer Handy-Man bei Siemens spannend.

ACER

Die Taiwanesen starten nun offensichtlich im GSM-Markt voll durch. Vorerst einmal mit Singleband-Handys. G520 bzw. G620 heissen die Geräte für 900 MHz. Analog dazu tragen die 1800er-Zwerge die Bezeichnungen G530, G625 und G630.

ALCATEL

Wesentliche Neuerung bei Alcatel ist, dass die One-Touch-Serie vollständig auf Dualband erweitert wird. Das heisst, dass es für Länder, in denen kein GSM 1800 existiert, auch weiterhin Singleband-Versionen geben wird. Ausserdem sollen alle One-Touch die Funktion Freisprechen bieten. Das heisst, dass sich der Lautsprecher so einstellen lässt, dass man auch etwas hört, wenn man das Handy nicht ans Ohr presst. Vorgeführt wurde bereits das One Touch Easy HF, wobei HF für «HandsFree» steht. Das One-Touch Pocket wird in Zukunft auch noch einen Internet-Browser bieten.

B&O

Die dänischen Design-Spezialisten waren diesmal sehr schnell: Praktisch zeitgleich mit dem Lieferanten der Basis Genie Dual - doch dazu später - präsentierten sie ihr BeoComm 9800 Dualband.

BOSCH

Aus dem neuen dänischen Werk kommen die neuen Handys der Deutschen. Fast nur Dualband, versteht sich. Das GSM 509 kommt in zwei Varianten: Singleband und Dualband. Letzteres heisst dann GSM 509 Dual. Das GSM 909 Executive wird von Bosch als System bezeichnet, weil «es die Vorteile eines äusserst kompakten Handys mit denen eines 'ausgewachsenen' fest eingebauten Autotelefons vereinigt». Als absolutes Topmodell ist das 909 Dual S gedacht, das sich im wohl von Nokia beeinflussten Silberkleid zeigt.

Ein nachrüstbares Verkehrstelematiksystem namens Blaupunkt Gemini GPS 148 stützt sich auf die Verkehrsinformationsdienste der deutschen GSM-Betreiber bzw. der Telematik-Diensteanbieter.

ERICSSON

Zu einer gewaltigen Aufholjagd sind die Schweden angetreten und haben eine ganze Palette neuer Handys lanciert, die erstmals andere Designformen zeigen, wenngleich die Fans der bisherigen Ericsson-Form darauf auch nicht verzichten müssen: Das A1018 Dualband sieht wieder so aus, wie man sich bisher ein Ericsson-Handy vorgestellt hat. Das T18s - wie alle Handy-Neuheiten bei Ericsson ebenfalls Dualband - scheint der Nachfolger des GF 768 zu werden, während das T28s wohl für die bisherige Zielgruppe des GF 788 gedacht ist. Für Outdoor-Freaks gibt es das R250 PRO, das wasser- und staubdicht sowie stossicher ist und mit Goretex, wie man das bisher nur aus Kleidungsstücken kennt, ausgerüstet ist. Mit einer speziellen SIM-Karte kann der Benützer einen Gruppenruf an bis zu 18 Teilnehmer senden.

Ein Psion und ein Mobiltelefon ist das R380s, das - ebenso wie der EPOC-Organizer MC 218 - WAP-fähig ist.

MOTOROLA

Das winzige Dualband v3688 haben wir bereits vorgestellt. Auf der CeBIT zeigte man dieses Handy erstmals mit einem Prototyp des Wireless Application Protocol (WAP), auf das man bei Motorola die Handys umstellen will, die damit alle das Internet browsen könnten.

Was wirklich erst auf der CeBIT zu sehen war, ist das L7089 - das erste Tripleband-Handy der Welt. Dieses Gerät wird auch Leute mit Gehörschäden erfreuen, denn es besitzt mit HATIS (Hearing Aid Telephone Interconnection System) eine Spezialvorrichtung zur Unterstützung von Hörgeräten. Als praktisch wird sich auch die Spracherkennung erweisen, die wir von anderen Herstellern wie Samsung bereits länger kennen. Beinahe logisch, dass das nur 108 Gramm leichte Handy auch noch über eine Infrarotschnittstelle verfügt.

Ein Wunsch vieler Kunden geht mit dem StarTAC D, dem ersten Dualslot-Handy, in Erfüllung. Allerdings scheint man nur eine kleine SIM-Karte und zusätzlich eine normal grosse Smart-Card (Checkkarte, Kreditkarte etc.) einsetzen zu können

NEC

Das japanische Unternehmen präsentierte zwei neue Dualband-Handys mit den Bezeichnungen DB 500 und DB 2000.

Die wahre Sensation aber ist ein fast fertiges Dualmode-Gerät, das sowohl für das ICO-Satellitensystem als auch für GSM geeignet ist. Bis zu zwei Millionen dieser Handys, die nur 220 Gramm wiegen, sollen bis zum Jahr 2001 gefertigt werden.

NOKIA

Die Finnen sind ebenfalls auf dem Dualband-Trip. Neu sind die Modelle 3210 und 7110. Das 3210 besitzt ein eingebautes Wörterbuch, das die Eingabe von Mitteilungen sehr erleichtert, denn das System erkennt praktisch im voraus, welches Wort der Benützer eintippen will. Auch die Versendung von SMS mit Bildern ist möglich. Wie schon das 8810, so hat auch das 3210 eine voll integrierte Antenne. Das bereits im Februar in Cannes vorgestellte 7110 wird von Nokia als weltweit erstes Medien-Handy bezeichnet. Es ist auf Basis des WAP und des Mobile Media Mode konstruiert und erlaubt den direkten Zugang zum Internet. Dazu wurde das Display gegenüber dem 6110 um etwa 80 Prozent vergrössert, obwohl sich die Gesamtabmessungen verkleinert haben.

Als einer von wenigen Anbietern führt Nokia nach wie vor echte Autotelefone. In diesem Jahr gab es sogar wieder eine Neuheit, nämlich das 6090. Dieses Gerät unterstützt zwei SIM-Karten-Leser und soll damit ein schnelles und bequemes Austauschen der Karten ermöglichen.

PANASONIC

Die britischen Japaner folgen weiter ihrem soliden Expansionskurs und bieten zusätzlich zum bereits bekannten GD 70 zwei weitere Dualband-Handys an: GD30 und GD90. Letzteres ist das erste Handy, das die Lithium-Polymer-Technologie - MOBILE TIMES berichtete bereits über diese Technik - verwendet, die es erlaubt, die Form des Akkus besser an die Bedürfnisse anzupassen und dabei dennoch leichtere Batterien möglich macht. Das GD90 wiegt nur 96 Gramm. Das GD30 ist ein etwas einfacheres und mit 135 Gramm schwereres Gerät mit einem NiMH-Akku.

Eine Innovation ist das Panasonic SmartPhone, das im Prinzip eine Kombination der bekannten G600-Plattform mit einer Browser-Software darstellt. Die Serienversion des SmartPhone wird im vierten Quartal offiziell präsentiert werden.

PHILIPS

Unter der Bezeichnung «Savvy» bringt Philips ein «Fun Phone», das einen Euro-Converter, einen Biorhythmus-Kalender und «Gefühls-Icons» anbietet, die man mit SMS wie Attachements bei E-Mails mitsenden kann. Dieses Gerät zielt also auf eine jugendliche Zielgruppe. Es hat aber weltweit 25 Sprachen einschliesslich traditionelles und vereinfachtes Chinesisch einprogrammiert.

Auch im Dualband-Bereich kommen die französischen Niederländer jetzt mit einem Genie: Das Dualband-Genie hat volle Phase II+-Unterstützung, ist für E-GSM geeignet und verfügt über EFR. Auch das Dualband-Genie wiegt nur 99 Gramm.

SAGEM

Aus Frankreich kommen zwei neue Serien von Dualband-Handys: Die Reihe Sagem RC/MC 820 und die Serie Sagem RD/MC 850, die ein Daten- bzw. Faxmodem integriert hat. Das MC 850 wird mit Datenübertragungskabeln für Psion und Palm Pilot geliefert.

SAMSUNG

Zwei neue Dualband-Handys, die ab Sommer lieferbar sein werden, präsentierten die Koreaner auf der CeBIT: SGH-2100 und SGH-2200. Das erstere besitzt zusätzlich zu den Features des SGH-2200 Alternative Line Selection (ALS), Service Dialling Number (SDN), Anruferidentifizierung anhand des Ruftons und SIM-Toolkits der Klassen 1, 2 und 3. Noch einmal gab es mit dem SGH-800 ein neues Singleband, das auf den ersten Blick für ein Motorola StarTAC gehalten werden könnte. Es soll bereits im zweiten Quartal lieferbar sein.

SHARP

Gemeinsam mit dem deutschen Finanzdienstleister EBF wurde auf Basis des Sharp MC-G1 ein «Börsen-Handy» entwickelt. Es kann bis zu 25 Werte der grossen Börseplätze der Welt verwalten, die sich der Anleger selbst zusammenstellt. Wesentlich für den Anleger ist die Möglichkeit, Ein- und Ausstiegskurse anzugeben, bei deren Erreichen er automatisch benachrichtigt wird. Grundsätzlich erhält der Anleger kostenlos eine Fülle von Detailinformationen und zahlt nur die Mobilfunkgebühr. In Deutschland ist das Gerät für DM 1'400,- unter der Bezeichnung «Portfolio» erhältlich.

SIEMENS

«Keine Pressemappe verfügbar» hiess es am Counter. Ein Waschzettel mit einer Internet-Adresse war alles, was es gab. Die auf dem Blatt angeführte CD-ROM gab es natürlich auch nicht. Die Pressebetreuer selbst waren in wichtigen Meetings und durften nicht gestört werden. Nur lautstark und polternd auftretende Journalisten erhielten dann doch ein Mäppchen - was für uns ein kaum tragbarer Stil wäre. Aber vielleicht ist das ein neuer Siemens-Stil?

Neu ist bei den Deutschen das S25, ein Dualband-Handy mit integriertem Web-Browser, Terminplaner, Währungsumrechner, elektronischer Visitenkarte und Infrarotschnittstelle. Fast selbstverständlich ist bei Siemens-Handys der Oberklasse das farbige Display.

SONY

Nach einer Nachdenkpause sind die Japaner wieder mit einem neuen Gerät auf dem Markt: CMD-C 1 heisst der wellenförmige Apparat, der neben der selbstverständlichen GSM-Technik vor allem auf Design setzt. Und Design heisst ja bekanntlich nicht nur schön, sondern auch praktisch. Auf den ersten Blick ist das Erreichen beider Ziele jedenfalls gelungen.

SPECTRONIC

Diese kleine schwedische Firma, die schon bisher im NMT-Bereich als OEM-Lieferant für Ericsson und Siemens aufgetreten ist, verblüffte auf der CeBIT mit einem Handy-Organizer der Spitzenklasse. Weil die Hersteller noch nicht wissen, ob sie das System selbst vermarkten oder einem anderen Hersteller als OEM zuliefern, heisst das 190 Gramm leichte Kästchen (143×59×25 mm) schlicht «Multimedia Telephone». Es besitzt nicht nur normale GSM-Funktionen, sondern auch einen echten Web-Browser, E-Mail- und Fax-Programme und ist ausserdem noch eine digitale Kamera. Selbstverständlich - ist man versucht zu sagen - hat das Telefon auch noch einen Kalender, einen Kontaktmanager und was man sich halt sonst noch bei einem Organizer wünscht. Fehlt eigentlich nur mehr Spreadsheet (einen Taschenrechner gibt es natürlich) und Textverarbeitung, damit man sonst überhaupt nichts mehr braucht.

Auf den Markt will man das Gerät spätestens im August bringen.

TELITAL

Der italienische Anbieter, dessen Handys bei uns bisher kaum zu haben waren, führte eine sehr umfangreiche Palette neuer Geräte vor. Neben den GSM-Handys fiel vor allem ein geradezu fröhlich gestyltes Globalstar-Satellitenhandy auf.

Das GSM-Spitzenhandy heisst jetzt GM 710 und ist natürlich auch in einem silbernen Gehäuse untergebracht. Zweites neues Modell ist das GM 410. Die übrigen Geräte GM 220, GM 230 und GM 270 waren bereits vor der CeBIT erhältlich.

Nachdem Telital erst 1998 international gegründet wurde, dürfte die intensive Bearbeitung auch des schweizerischen Marktes durch die Italiener, die drei Werke in Italien und eines in Berlin betreiben, erst bevorstehen.

TRIUM

Bis zur CeBIT war es ein wohlgehütetes Geheimnis: Mitsubishi wird sich voll im GSM-Markt engagieren. Eine breite Palette völlig neu entwickelter Dualband-Handys mit interessanten Design-Ideen sollen den in der Bretagne erzeugten Geräten einen soliden Marktanteil sichern. 85 Millionen Euro (rund 136 Millionen Franken) wird in die Einführung der Trium-Serie investiert. Die ersten Geräte der neuen Serie sollen im Juni auf den Markt kommen.

Der Mitsubishi-Ansatz scheint im wesentlichen Unterschiede durch Design zu suchen, denn Qualität und Funktionssicherheit werden vom Kunden wohl ohnehin vorausgesetzt. Die gesamte Serie besteht nur noch aus Dualband-Handys.

Die einzelnen Produkte tragen die Namen Cosmo, Galaxy, Astral, Geo und Aria. Die bisherige Geräteserie «MT» soll bald auslaufen, so dass wohl spätestens im Sommer nur noch die neuen Geräte auf dem Markt zu finden sein werden.

Nicolas Kenedi von der verantwortlichen Agentur erklärte auf unsere Anfrage auch, dass die Menüs der neuen Handys einfacher und übersichtlicher sein werden, als das bisher bei Mitsubishi der Fall war.

Resumée

Die CeBIT war also in diesem Jahr im Bereich Mobilfunk eine Messe, die mehr der Konsolidierung als der Präsentation sensationeller Geräte diente. Solide Weiterentwicklung und Internet-Fähigkeit waren angesagt.

Spannender waren schon die firmenpolitischen Vorgänge, die sich rund um die grösste Messe der Welt abspielten, denn der von MOBILE TIMES angekündigte Kampf dürfte jetzt voll ausgebrochen sein. Microsoft stellte jedenfalls sein Internet-fähiges Telefon namens Hermes vor, das auf Windows CE basiert. Angeblich soll es von Acer, Matsushita und Philips produziert werden.

Bei Hermes handelt es sich allerdings um ein Festnetz-Telefon. Dafür hat Sun mit seinen Verträgen, die es mit Symbian und NTT DoCoMo abgeschlossen hat, einen sehr starken Zug im globalen Schach gemacht. Mit der Vereinbarung, dass Symbian auch Java enthalten wird, stellt Sun sicher, dass Microsoft wenigstens aus den Geräten der grössten drei Mobiltelefon-Hersteller Ericsson, Motorola und Nokia ausgesperrt bleibt. Dazu kommt auch noch der ja nicht gerade kleine japanische Markt, der momentan über zwanzig Millionen mobile Teilnehmer zählt.

Die Japaner sind aber vorsichtig und haben auch mit Microsoft einen Vertrag abgeschlossen, der vorsieht, gemeinsame Daten-Center für die Kunden zu errichten, die sogar die persönlichen Kalender der Anwender zentral speichern sollen.

Auch Oracle hat sich dem Mobilmarkt zugewendet und präsentierte das Projekt Panama - eine Software, die Web-Inhalte so filtern soll, dass man sie auf Handy-Displays ablesen kann. Auch Bestellen und Einkaufen über das Netz soll damit möglich sein.

Die Finanzierung der diversen Web-Sites wird allerdings in Zukunft schwieriger werden, denn die Handy-Browser filtern geradezu rücksichtslos alles weg, was nicht zum eigentlichen Inhalt gehört und das ist in erster Linie die Werbung.

Über Beinahe-Notebooks auf Symbian-Basis und weitere Organizer lesen Sie in diesem Heft einen eigenen Bericht ab Seite 60.

Franz A. Köttl


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