GPRS & EDGE

Während man bei der ITU noch darum ringt, endlich das Mobilfunksystem der dritten Generation aus der Taufe zu heben, bekommt GSM immer mehr Eigenschaften des gedachten Systems: Breitbandübertragung, Paketvermittlung für Daten usw.


Die Datenübertragungstechniken, die heute verwendet werden, kann man einfach als Paketvermittlung zusammenfassen: Kleine Datenpakete werden unabhängig voneinander über alle möglichen Wege gesendet und am Ziel wieder zur ursprünglichen Nachricht zusammengesetzt. Im Prinzip ist die GSM-Sprachübertragung auch eine paket-orientierte Übertragung, die aber auch Elemente einer Fixleitung hat. Die gegenwärtige Datenübertragungsrate im GSM beträgt die bekannten 9'600 bps. Derzeit werden verschiedene Systeme bereits auf 14'400 bps hochgerüstet, und mit der Einführung der Datenkompression nach V.42 wird sich diese Übertragungsrate noch einmal verdoppeln. Damit ist aber innerhalb der bisherigen GSM-Technik der Gipfel erreicht.

Eine weitere Steigerung der Datenübertragungsrate wird bei einigen Netzbetreibern noch im Laufe dieses Jahres durch die Einführung von High Speed Circuit Switched Data (HSCSD) erreicht, die theoretisch Übertragungsraten von 56 kbps ermöglichen soll. Vermutlich wird man den Kunden eine Datenrate von 38'400 bps anbieten, weil das für die meisten Anwendungen ausreicht. Die nächste Spitze aber wird die Einführung von General Packet Radio Service (GPRS) sein, das Datenraten von über 100 kbps ermöglicht.

Bevor aber GPRS eingeführt wird, dürfte es in einigen Bereichen noch zu einer Zwischenlösung kommen, die als «direct IP access» bezeichnet wird und eine Methode bezeichnet, die dafür sorgt, dass der Ruf bereits beim Netzbetreiber über einen Router zum Internet geführt und auf die Benutzung des öffentlichen Telefonnetzes verzichtet wird. Damit wirkt der Netzbetreiber für den Kunden wie ein Internet-Provider, bei dem man sich ja auch einwählen muss.

GPRS wird - via EDGE - Übertragungsraten bis 384'000 bps ermöglichen und damit GSM schneller als das derzeitige ISDN-Netz machen, das ja nur 64'000 bps oder 128'000 bps bzw. bei Mitbenutzung des Signalisierungskanals 144'000 bps als oberste Grenze ermöglicht.

Wie GPRS funktioniert

GSM benutzt bekanntlich 200 kHz breite Kanäle, die in acht Zeitschlitze unterteilt sind. Aus diesen physikalischen Grundlagen ergibt sich die begrenzte Übertragunsgeschwindigkeit von 9.6 bzw. 14.4 kbps. GPRS benutzt nun zwar dieselben Kanäle, aber nach einer anderen Methode. Bei Sprachübertragung oder auch der heutigen Datenübertragung bleiben in einem Kanal nach Abzug der für das Übertragungsprotokoll und für die Fehlerkorrektur notwendigen Bits noch ungefähr 13 kbps für die Sprache bzw. 14 kbps für Daten übrig. GPRS kann jetzt bis acht GSM-Schlitze gleichzeitig benutzen. Eine einfache Rechnung ergibt: 8 × 14,4 = 115.2, also eine Rate von deutlich über 100 kbps.

Technisch läuft das so ab, dass ein GPRS-Ruf von der Base-Station nicht über das Mobile Switching Center (MSC) mit dem Sprachnetz verbunden wird, sondern direkt zu einem «Serving GPRS Support Node", kurz SGSN. Die Aufgabe des SGSN entspricht ungefähr der des MSC für den Sprachverkehr. Darüber hinaus aber kommuniziert der SGSN mit einem Gateway GPRS Support Node (GGSN). Der GGSN steht in direkter Verbindung mit dem Internet, kommuniziert mit X.25-Netzen und auch mit privaten Netzen.

Der Grund, warum GPRS nicht nur das Internet-Protocol (IP), sondern auch X.25 unterstützt, liegt darin, dass gerade in Europa X.25-Netze sehr weit verbreitet sind. Lange vor dem Internet definierte X.25 Kommunikationsprotokolle, die dann die Basis für das damals grösste paket-vermittelte Datennetz der Welt bildete. In der heutigen Praxis heisst das, dass jede existierende X.25- oder IP-Anwendung direkt über eine GSM-Verbindung arbeiten kann.

Ein anderer Vorteil von GPRS ist, dass die Verbindung nur einmal aufgebaut werden muss: Wenn keine Daten übertragen werden, fallen auch keine Leitungskosten an. De facto wird das gesamte Mobilnetz zu einem Local Area Network (LAN) im Internet. Wie die Netzbetreiber aber die Abrechnung durchführen werden, ist derzeit noch nicht bekannt. Möglich wäre eine Abrechnung nach übertragenen Datenmengen, aber auch eine Bandbreiten-Bereitstellungsgebühr, denn bei der Herstellung der Verbindung gibt man auch die gewünschte Bandbreite bekannt, die von einem Kanal bis eben zu acht Kanälen reichen kann.

Was man zur Nutzung von GPRS braucht, ist natürlich ein GPRS-taugliches Mobiltelefon, das man an einen Laptop oder Handheld anschliesst. Die Funktion des Handys kann auch eine PC-Card mit GPRS-Funktion übernehmen - ähnlich den GSM-Karten, die derzeit von Compaq, Ericsson und Nokia angeboten werden. Mobiltelefone mit WAP-Microbrowsern, wie sie auf der diesjährigen CeBIT vorgestellt wurden, sind natürlich ebenso denkbar wie spezielles GPRS-Equipment.

International hat T-Mobil bereits Lieferverträge über GPRS (mit Alcatel und Ericsson) abgeschlossen, und One2One in Grossbritannien steht kurz vor der Vertragsunterzeichnung.

GSM-TV: EDGE

Das Kürzel EDGE steht für «Enhanced Data rate for GSM Evolution» und kündigt eine auf GPRS aufbauende Technologie an, die es ermöglichen wird, theoretisch Datenraten bis 384 kbps zu erreichen. Im Gegensatz zu GPRS ist allerdings EDGE im Moment noch nicht fertig genormt. Nach dem Zeitplan soll es bis Ende 1999 so weit sein. Der besondere Charme von EDGE liegt auch darin, dass es auf GPRS aufbaut, das nicht nur für GSM-, sondern auch für TDMA-Netze nach IS-136, wie sie AT&T in den USA betreibt, geeignet ist. EDGE wird also auch in beiden Welten zuhause sein.

Die Funktionsfähigkeit der neuen Technologie führte Ericsson bereits mehrfach vor - auch in bewegten Fahrzeugen. Eindrucksvoll war für uns vor allem, wie schnell der Aufbau einer Internet-Seite erfolgt: Wir haben uns das in Stockholm angesehen und verschiedene österreichische und schweizerische Sites aufgerufen, die bestimmt nicht auf einem Proxy-Server in Schweden gelegen sind.

Franz. A. Köttl/fwk


Abkürzungen:

bps
Bit pro Sekunde
EDGE
Enhanced Data rate for GSM Evolution
GGSN
Gateway GPRS Support Node
GPRS
General Packet Radio Service
GSM
Global System for Mobile communication
HSCSD
High Speed Circuit Switched Data
IP
Internet Protokoll
IS
(Amerikanischer) Industrie-Standard
ISDN
Integrated Services Digital Network
ITU
International Telecommunication Union
kbps
Kilobit pro Sekunde
LAN
Local Area Network
MSC
Mobile Switching Center
SGSN
Serving GPRS Support Node
TDMA
Time Division Multiple Access
WAP
Wireless Application Protocol


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