GSM-Praxis

IBERIEN

Die Iberische Halbinsel ist fast schon ein Miniaturkontinent, auf dem sich ein grosses, ein mittleres und zwei kleine Staatsgebilde - alle mit ihren GSM-Netzen - ausbreiten: Andorra, Gibraltar, Portugal und Spanien. Aus praktischen und nicht aus geografischen Gründen rechnen wir hier gleich die Inseln und Inselgruppen dazu, die auch Bestandteile dieser Staaten bilden: Azoren, Balearen, Kanaren und Madeira.


Die namensgebenden Kelt-Iberer waren ein derart kriegerisches Volk, dass in der Zeit der römischen Bürgerkriege die Frage, ob Spanien oder Italien die lateinische Welt führen würde, tatsächlich diskutiert wurde. Andererseits waren die Kelten offensichtlich nicht stark genug, um allen Ureinwohnern ihren Stempel aufzudrücken, und so gibt es heute noch das viel ältere Volk der Basken im nordöstlichsten Zipfel Spaniens. Die Römer mussten eigentlich bis ans Ende ihres Reiches in Spanien eine Legion stationieren, um den Frieden zu erhalten: Der Name des heutigen Leon entstand aus einer Verballhornung von «Castra Legionis», denn es war Standort der Legio VII Gemina.

Verwirrende Vielfalt

Die beiden grösseren Staaten - Portugal und Spanien - haben inzwischen drei Netzbetreiber. In beiden Staaten gibt es ein 900-MHz-Netz von einem staatlichen und einem privaten Betreiber. Was die 1800-MHz-Frequenzen betrifft, scheiden sich die Geister. Spanien hat seiner staatlichen Fernsehanstalt Retevision diesen GSM-Bereich überlassen, womit Retevision als Full-Service-Anbieter (Funk und Kabel) zum direkten Konkurrenten der staatlichen Telefonica wird.

In Portugal wurde die 1800-MHz-Lizenz mit 900-MHz-Frequenzen gebündelt und einem neuen Dualband-Betreiber namens Optimus übertragen.

Die beiden kleineren Gebilde, die britische Kolonie Gibraltar und Andorra, das trotz seiner bis ins Mittelalter zurückreichenden Tradition erst 1993 ein souveräner Staat wurde, haben nur ein 900-MHz-Netz, das aber kommt - wenigstens im Falle Gibraltar - mit einem einzigen Sendemast aus, um ausser dem eigenen auch noch das Gebiet von drei anderen Staaten wenigstens teilweise zu versorgen: Marokko, Portugal und Spanien.

Die 900-MHz-Netze sind in allen vier Gebieten relativ gut ausgebaut.

Andorra

Das Fürstentum, dessen Herrscher seit 1278 das französische Staatsoberhaupt und der Bischof des spanischen Urgel sind, erlangte erst 1993 seine volle Souveränität. Der Staat ist mit 467,7 km² grösser als das kleinste österreichische Bundesland (Wien mit 415 km²) und deutlich grösser als der kleinste (Halb-)Kanton in der Schweiz (Basel-Stadt mit 37 km²).

Ob der Start des eigenen GSM-Netzes im März 1995 eine Art Demonstration der neu gewonnenen vollen Unabhängigkeit darstellte, bleibt dahingestellt. Sicher ist jedenfalls, dass dieses Netz den aus sieben Pyrenäentälern bestehenden gebirgigen Staat recht gut abdeckt. Der Betrieb des «Mobiland» genannten Netzes erfolgt durch die Andorranische Telefongesellschaft S.T.A.

Gibraltar

Seit 1713 ist Gibraltar britisch. Der einzige Teil Spaniens, der im «Spanischen Erbfolgekrieg» nicht an die französischen Bourbonen fiel. Für historisch weniger Informierte: Damals versuchte Karl, der Vater Maria Theresias, seinen Anspruch auf den spanischen Thron, der durch das Aussterben der spanischen Habsburger vakant geworden war, mit britischer Hilfe durchzusetzen. 1830 wurde die eigentlich nur aus einem Felsen bestehende Halbinsel britische Kolonie. Was sonst immer wieder gefordert wird - Unabhängigkeit oder Rückgabe an das Stammland -, ist für die Einwohner von Gibraltar kein Thema: Ein Bruttosozialprodukt von rund 17'500 Euro (etwa 28'000 Franken) in Gibraltar und rund 12'400 Euro (etwa 19'800 Franken) pro Kopf sind ein klares Argument. Ausserdem würde Gibraltar bei einer Rückkehr zu Spanien seine Vorteile als Steuerparadies sofort verlieren.

Das GSM-Netz, das bereits seit Januar 1995 funkt, ist aufgrund der geografischen Situation wohl auch ein technisches Kuriosum: Wie der Karte zu entnehmen ist, ist die «Coverage» praktisch kreisförmig und deckt neben Gibraltar noch die Gebiete dreier weiterer Staaten ab. Daraus erkennt man aber auch, dass es nur einen einzigen Funkstandort geben kann: Bei einer Fläche von 6,5 km² aber auch kein Wunder. Eine Flächendeckung von 100% ist damit gegeben.

Portugal

Der westlichste Staat Europas darf sich inzwischen über drei GSM-Netze freuen. Die staatliche Telefongesellschaft betreibt die «Telecom Moveis Nacionales S.A.» (TMN), das nationale Mobiltelefonnetz, seit Oktober 1992. Auch der private Konkurrent Telecel startete im Oktober 1992. Damit gehört Portugal zu den GSM-Pionierländern überhaupt. Denn im Jahr 1991 gab es nur im Dezember erste Versuche bei Radiolinja in Finnland. Seit Januar 1999 gibt es einen dritten Netzbetreiber namens Optimus, der ein Dual-System GSM 900/1800 betreibt.

Am Festland ist die GSM-Deckung recht gut, nur in den Sierras wird sie schnell dünn oder reisst ganz ab. Anders sieht es auf den zu Portugal gehörenden Atlantikinseln aus. Auf der Urlaubsinsel Madeira haben alle drei Netzbetreiber schon recht gute Coverage, wenn auch der östliche Teil der Hauptinsel des Archipels etwas besser ausgestattet ist und im Nordwesten durchaus auch unversorgte Gebiete zu finden sind - Ausnahme: Das Netz von Telecel soll die gesamte Inselgruppe abdecken. Ziemlich arm dagegen sind die Azoren: TMN und Optimus haben offensichtlich erst begonnen, diese Inseln zu bestücken. Nur Telecel behauptet dort eine recht gute Coverage.

Spanien

Der grösste Staat auf der Iberischen Halbinsel verfügt über drei GSM-Netze, wobei das neueste erst in einigen wenigen Städten aktiv ist: Retevision startete im Januar das GSM-1800-Netz in Barcelona, Granada, Madrid, Saragossa, Sevilla und Valencia und will es sehr rasch ausbauen.

Die «traditionellen» GSM-Netze von Telefonica (Movistar), dem staatlichen Betreiber, und Airtel starteten zwar bereits 1995, doch war der Anfang der GSM-Telefonie in Spanien durch schwere Streitigkeiten gekennzeichnet, die sogar die EU-Kommission eingreifen liessen. Jedenfalls startete Movistar dann im Juli 1995 und Konkurrent Airtel im Oktober des gleichen Jahres.

Was die Flächendeckung betrifft, haben sich beide offensichtlich bemüht, die Feriengebiete der Kanarischen Inseln ebenso wie die der Balearen möglichst lückenlos abzudecken. Auch die beiden Exklaven in Marokko Ceuta (19 km²) und Mellila (13 km²) scheinen vollständig abgedeckt zu sein.

Am Festland sieht es etwas anders aus, obwohl auch hier - wie auf den bekannten Inseln - die Touristen erste Priorität zu geniessen scheinen: Die Südküste ist fast durchgehend ein GSM-Paradies. Mit dem «Iberischen Randgebirge», das Aragon von Neu-Kastilien trennt, scheinen aber beide GSM-900-Betreiber Probleme zu haben. Dort heisst es noch häufig «Kein Netz», wie auch die bergigen Gegenden nördlich von Madrid und die «Betischen Kordilleren» südlich von Granada für die Netzplaner noch einige schlaflose Nächte bedeuten werden.

Generell ist die Coverage von Movistar besser als die von Airtel, was uns aber wenig bekümmerte, weil - wenigstens im vergangenen September - die Roamingkosten im Movistar-Netz ohnehin niedriger waren.

Zusammenfassung

Die 900-MHz-Netze sind in allen vier hier besprochenen Gebieten relativ gut ausgebaut. Portugal und Spanien haben drei Netzbetreiber. In beiden Staaten gibt es ein 900-MHz-Netz von je einem staatlichen und einem privaten Betreiber. Der dritte Betreiber in Portugal hat eine 900/1800-MHz-Lizenz und bereits ein echtes Netz. In Spanien hat der dritte Betreiber eine reine 1800er-Lizenz und startete erst im Januar 1999 mit dem Inselbetrieb in einigen wenigen Städten.

Franz A. Köttl/fwk


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