279 Handys im Test

Wie schon letztes Jahr, haben wir auch in diesem Jahr auf der HIT den Besuchern die Möglichkeit gegeben, ihr Handy auf Herz und Nieren prüfen zu lassen. Hier lesen Sie die Resultate dieses einzigartigen Massentests.


Jeder hat sich schon einmal die Frage gestellt: Rauscht das Netz, oder ist das Handy schuld? In den meisten Fällen ist es zwar das Netz - aber nicht immer. Denn bei Handys kommen - wie bei jedem anderen Produkt auch - zwei Faktoren zum Tragen: Zum einen der Widerspruch von kleinem Preis und hoher Qualität; zum anderen unterliegen Handys genauso wie jedes andere Produkt einem Alterungsprozess.

Bei der Preisgestaltung kann man sich den Unterschied zwischen einem Gerät für 1'500 Franken und einem für 100 Franken schon denken. Natürlich ist ein Teil des Preisunterschiedes auch in unterschiedlichen Gesprächszeiten, Gewichtsdifferenzen und der Anzahl der Funktionen enthalten. Aber ein Teil des Preisunterschiedes liegt auch in der Qualitätskontrolle. Ein VW Käfer war deshalb teurer als ein Skoda gleicher Leistungsfähigkeit, weil er eine bessere Qualitätskontrolle hatte und seine Funktionen viel länger ausüben konnte. Ähnlich sieht es bei den Handys aus. Der Unterschied ist, dass elektronische Bausteine weltweit in wenigen Werken hergestellt werden, und daher enthalten auch Handys mit «geringer Qualität» dieselben Bausteine. Nur der Zusammenbau und die Endkontrolle waren billiger. Daher kann man auch billige Geräte in sehr guter Qualität finden - man muss nur oft genug umtauschen. Besonders bei Philips scheint es deutlich billiger zu sein umzutauschen als zu kontrollieren. Es gab oft Besucher, die meinten: «Das ist jetzt das fünfte Fizz, aber das geht ausgezeichnet.»

Der zweite Punkt, der die Gesprächsqualiät beeinflusst, ist der Alterungsprozess. Dieser ist bei elektronischen Bauteilen zwar nicht so spektakulär wie die Abnutzung von mechanisch beanspruchten Teilen, die dann einfach brechen, aber sie findet genauso statt. Am besten kann man das bei den Ergebnissen von Nokia 2110 und Nokia 8110 sehen. Beide Geräte waren letztes Jahr unter den Besten, schnitten in diesem Jahr allerdings wesentlich schlechter ab - ganz einfach, weil die Geräte, die jetzt in Umlauf sind, schon älter und damit abgenutzt sind. In ein paar Jahren wird das wieder anders aussehen. Denn dann werden nur mehr die Geräte vorhanden sein, die sich gut gehalten haben, wie das bei AEG der Fall war. Es gab zwar nur mehr ein Gerät, das den Weg bis zum Test gefunden hat, dieses schnitt aber sehr gut ab.

Was wurde gemessen?

Gemessen haben wir wie letztes Jahr mit einem GSM-Tester 4103S der Firma Wavetek, der gerade für die Messe zwei wesentliche Vorteile hat: Erstens ist er kompakt und leicht transportabel; zweitens lässt sich direkt ein Drucker anschliessen - schliesslich möchte der Messebesucher sein Ergebnis gleich mitnehmen können. Da der Test selbst nur wenige Minuten dauert, für uns ein optimales Prüfgerät.

Gemessen wurden folgende Werte:

Der Phasenfehler des GSM-Signals, der die Abweichung des GSM-Synchronsignals in Grad angibt. Dabei werden zwei Werte gemessen: Die maximale Abweichung, die höchstens 22.5° betragen darf, und das quadratische Mittel der Phasenabweichung, das maximal 7.5° sein sollte. Wenn der Phasenfehler zu gross ist - also Handy und Sendestation «ausser Takt sind» -, dann verstehen die beiden einander nicht mehr.

Der Frequenzfehler des GSM-Signals, der die Abweichung des Handys von der Frequenz des ihm zugewiesenen Sendekanals angibt. Dieser Frequenzfehler ist auf 115 Hertz in beide Richtungen festgelegt. Weicht das Handy stärker als dieses Mass von dem zugewiesenen Kanal ab, bricht nicht nur die Verbindung zur Basisstation ab, sondern man stört auch andere Handys in derselben Funkzelle.

Die Burst-Länge, die für die Aufteilung der Zeitschlitze wichtig ist. Damit bei GSM mehrere Leute gleichzeitig in einer Funkzelle sprechen können, gibt es mehrere Kanäle. Diese werden weiter in Zeitschlitze unterteilt. Während eines Gespräches werden die Informationen immer in diesen 553 Mikrosekunden langen Zeitschlitzen untergebracht, so dass auf einem Kanal bis zu 8 Leute gleichzeitig sprechen können. Die Basisstation verteilt aber die Zeitschlitze und Kanäle regelmässig neu, weshalb es in Ballungsgebieten dazu kommen kann, dass der Benützer mitten im Gespräch unterbrochen wird, weil kein Zeitschlitz mehr frei ist. Ein anderer Grund könnte aber auch sein, dass das Handy die Länge des Zeitschlitzes nicht einhalten kann - und genau das wird hier gemessen.

Die Empfangsleistung des Gerätes, die sich natürlich nicht direkt messen lässt, ohne das Handy aufzuschrauben. Aber im Betrieb meldet das Handy seine Sendeleistung ständig an die Basisstation. Wenn ich jetzt mit einer genau definierten Leistung an das Handy sende und weiss, welche Dämpfung der Sendeweg hat (normalerweise macht man das mit einem Kabel), dann weiss ich auch, wieviel Leistung beim Handy ankommen sollte, und kann daher sagen, ob seine Rückmeldung in Ordnung ist oder nicht.

Meldet das Handy mehr Leistung als wirklich vorhanden ist, hat man den Fall «Warum bekomme ich mit drei Balken kein Netz?». Meldet das Handy zuwenig Leistung, kann es vorkommen, dass das Handy glaubt, es wäre kein Netz vorhanden, obwohl noch ein wenig Leistung vorhanden ist. Wenn man Glück hat - also das Handy an eine noch brauchbare Leistung «glaubt» -,kann man mit nur einem Balken Anzeige tadellose Gespräche führen.

Die Sendeleistung des Gerätes, die dem Handy in der Praxis von der Basisstation vorgeschrieben wird. Und zwar richtet sich die Basisstation danach, wie stark das Handy meldet, dass es die Basisstation empfängt. Je schwächer das Handy die Basisstation empfängt, desto stärker muss das Handy senden. Im Test haben wir dem Handy unabhängig davon drei unterschiedliche Sendeleistungen vorgeschrieben und gemessen, wie stark das Handy wirklich sendet.

Wenn das Handy schwächer sendet, als es eigentlich sollte, dann versteht die Basisstation das Handy nicht mehr, und der Benützer bekommt keine Verbindung. Sendet das Handy zu stark, kann man andere Gespräche stören (was meist nur dann auffällt, wenn jemand anderer das eigene Gespräch stört), und die Akkus werden schneller leer als eigentlich notwendig.

Die Bitfehlerrate. GSM ist ein digitales Signal, wird also in einzelnen Bits übertragen. Bei dieser Messung werden dem Handy einige tausend Bits zugespielt und wieder zurückgeschickt. Man sieht dann, wieviel Prozent davon das Handy richtig oder falsch erkannt hat. Im Idealfall sollte das natürlich null sein, doch erlaubt sind bis zu 0.03% (oder 0.3‰, was etwas strenger ist, als beim Autofahren) Fehler bei normaler Sendeleitung, und bis 2.4% Fehler bei schlechter Sendeleistung.

Eine zu hohe Bitfehlerrate kann zweierlei bewirken: Wenn Steuerbits verlorengehen, dann kann die Verbindung abbrechen, da das Handy eine Anweisung der Basisstation falsch verstanden hat oder falsche Codes an die Basisstation sendet. Wenn Gesprächbits verloren gehen, dann rauscht und knackt es, weil ja Teile des Gesprächs falsch übermittelt werden.

Die Ergebnisse

Auf den Grafiken haben wir den erlaubten Bereich Grün-Gelb schattiert, wobei grün das Optimum wiedergibt und gelb der Rand des erlaubten Bereichs ist, rot ist der verbotene Bereich - was dort liegt, gehört repariert. Die Messergebnisse sind blaue Balken, wobei der Mittelwert ein dunkler Strich ist. Wichtig ist vor allem, wo der Mittelwert liegt. Die Länge des Balkens gibt die Streuung wieder: Ein kurzer Balken bedeutet, dass alle Geräte ähnliche Messwerte haben, während ein langer Balken anzeigt, dass es bei diesem Modell sehr gute und sehr schlechte Geräte gibt.

Detailliert ausgewertet wurden nur solche Modelle, bei denen mindestens fünf Geräte getestet wurden, da sonst ein einzelnes defektes Gerät das Bild zu sehr verzerrt hätte.

Bei den Geräten von Ericsson fällt zunächst die etwas höhere Phasenabweichung auf, die allerdings nicht dramatisch ist. Auch noch nicht dramatisch ist die etwas grössere Burst-Länge der Modelle 628 und 688 und die zu hoch angegebene Empfangsstärke der Modelle 337, 338 und 788.

Uns fiel schon letztes Jahr auf, dass diese Modelle von Ericsson das «Ich habe drei Balken und bekomme keinen Empfang»-Phänomen am häufigsten produzieren. Dramatisch allerdings ist die Bitfehlerrate der Modelle 628 und 788. Die einfachste Erklärung für das 628 wäre «Billigmodell», was allerdings im Widerspruch zu der sehr guten Sendeleistung steht.

Problem «Billiglackierung»

Es kann aber auch «Billiglackierung» sein. Denn es gibt immer mehr Handys, die nachträglich bunt lackiert wurden. Dabei kann es zu Problemen kommen: So hatten wir ein Nokia 8110, bei dem das Lösungsmittel des Lacks den Akku ruiniert hatte, und ein Ericsson 788, wo der Lack in das Gewinde der Antenne gekommen war und so die etwas hohe Bitfehlerrate bei -102 dBm Sendeleistung erklärt.

Das Motorola 8700 ist - wie schon letztes Jahr - unser Sorgenkind, denn es besticht durch einen sehr guten Analogteil (was man an den guten Werten bei Phasenfehler und Frequenzfehler sieht), aber einen miserablen Digitalteil, was man bei der Bitfehlerrate, die über jedes Mass und Ziel hinausschiesst, deutlich bemerkt. Ein gutes Gerät, aber nur bei gutem Empfang. Sobald der Empfang schlechter wird, steigt die Fehlerrate unakzeptabel hoch an.

Bei den Geräten von Nokia kann man anhand von fast vier Handy-Generationen den Alterungsprozess sehr gut sehen. Die neuen 5110 und 6110 bieten sehr schöne Messwerte. Beim 3110 merkt man an der Bitfehlerrate bei schlechtem Empfang schon erste Alterserscheinungen, während das 8110 diese auch schon bei gutem Empfang zeigt. Das Nokia 2110 dagegen ist bei der Bitfehlerrate noch sehr gut - was aber auch an der ausgereiften Software liegt -, während die Sendeleistung schon sehr stark in die Knie geht. Gerade die Geräte dieser Generation - wie etwa auch das Ericsson 337 - scheinen aber weniger Alterserscheinungen zu zeigen als neuere Geräte. Das liegt wahrscheinlich daran, dass damals die Stückzahlen noch kleiner und die Generationenfolge langsamer waren, und man daher gründlicher entwickeln und testen konnte.

Beim Philips Fizz merkt man am besten, was Massenware mit guten Komponenten bedeutet: Die Mittelwerte liegen meist im grünen Bereich, nur die Streuung ist relativ hoch, da man eben sehr gute und sehr schlechte Geräte vorfindet; einige haben sogar die Kommunikation mit dem Messgerät überhaupt verweigert. Aber solange kostenloser Umtausch billiger als gründliche Qualitätskontrolle ist, wird sich daran nichts ändern.

Bei Siemens stellte sich während dem Test nur die Frage: Wie universal ist ein universeller Koaxialstecker? Denn wir hatten natürlich auch einen solchen mit dabei, da viele Gerätestecker innen gleich, aber aussen unterschiedlich sind, damit man neues Zubehör kaufen muss. Dieser Mini-Koax-Stecker funktionierte beim Sony CMD-1000X und CMD-Z1, aber nicht bei CMD-2000X, und ebenso bei Siemens S4 und S6 aber nicht bei S10 - vermutlich weil die Steckertiefe unterschiedlich war, und unser Stecker daher keinen richtigen Kontakt bekam. Von den Messwerten her gibt es bei Siemens eigentlich nur einen Punkt, zu dem man etwas bemerken kann: Die angezeigte Empfangsleistung ist etwas zu hoch. Sonst aber ein durch und durch unauffälliges Gerät. Deutsche Gründlichkeit, wie immer ...

Michael Köttl/fwk


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