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Artikel aus Mobile Times 3

Natels zwischen Slip und Sirup

Neben Coop trägt sich nicht nur Migros sondern auch Denner mit dem Gedanken, verstärkt oder überhaupt in den Natel-Markt einzutreten. Und dabei geht es wahrscheinlich um höhere fünfstellige Gerätezahlen pro Aktion - also um denkbare «einige 10'000» Handys.


Die Entwicklung der Vertriebskanäle und -strukturen für Mobiltelefone schlägt in der Schweiz momentan regelrechte Kapriolen.

Da ist zunächst der traditionelle Fachhandel. Über seine Bedeutung und Notwendigkeit in der Marktszene bestehen keine Zweifel. Die den Handys immer mehr «einverleibten» Zusatzleistungen wie besonders die Datenkommunikation kommen ohne entsprechende Beratung durch geschultes Personal nicht aus. Solche Geräte lassen sich nicht mehr nur über den Ladentisch schieben oder einfach aus dem Gestell nehmen. Und wir müssen uns bewusst sein: In Zukunft sind statt Blackboxes vermehrt Gesamtlösungen gefragt.

Dann finden wir die Grossverteiler wie Media-Markt, Inter-Discount, Manor und Fust. Wer in diesen Märkten einen der überbeschäftigten «Berater» ergattert, kann von Glück sagen. Wem dieser dann auch noch gründliche Fachkenntnisse besitzt und dem Interessenten wirklich fundierte Auskunft geben kann, kann man sich glücklich schätzen.

Und dann entdeckt der Interessent neuerdings noch einen weiteren Kanal: Coop wirbelt den Markt durch Handy-Sonderangebote mit kaum noch zu unterbietenden Preisen durcheinander. Was sind das für Geräte, die dort «verscherbelt» werden? Man höre und staune: Natels von Philips und Nokia. Etwa Ladenhüter? Vielleicht.

Coop schlägt zu

Was ist passiert? Coop lanciert einen ersten Coup für Inhaber der Cooprofit-Karte: Insgesamt eine sicher fünfstellige Anzahl Natels «Philips Diga» - ein nicht mehr ganz neues Modell, das im Handel nur noch selten anzutreffen ist - gehen für Fr. 319.- einschliesslich Easy-Karte im Wert von Fr. 120.- über den Ladentisch, mit anderen Worten ein Handy für Fr. 199.-! Im Handel kostete dieses Modell bisher Fr. 299.-.

Wenig später folgte der zweite Coop-Coup für Inhaber der Cooprofit-Karte: Scheinbar eine noch höherer fünfstellige Anzahl Natels «Nokia 3110» - ein nicht unbedingt zu den Highlights zählendes Gerät - werden für Fr. 419.- einschliesslich Easy-Karte im Wert von Fr. 120.-, also das Gerät für Fr. 299.- bei einem offiziellen Verkaufspreis von Fr. 490.-, wandern in die Einkaufskörbe zwischen Slip und Sirup. Die Kunst der Marketingkoordination war dann noch, dass Inter-Discount, wie Radio Steiner und Microspot ein Unternehmen der Coop-Gruppe, dasselbe Gerät zur gleichen Zeit für Fr. 449.- ohne Easy-Karte anbot!

Anzumerken ist noch, dass sich der Fachhandel bei diesen Aktionen nicht mit günstigen Handys eindecken konnte, denn Coop gab pro Karte nur ein Gerät ab!

Marktanteile als oberstes Ziel

Die Hersteller sehen sich durch solche Volumina, sollten sie beispielsweise monatlich auf den Markt geworfen werden, in Zukunft mit einigen Problemen konfrontiert: Der Fachhandel verliert erheblich die Gunst der Käufer. Dies wiederum bedeutet, dass auch andere Hersteller wohl oder übel auf diesen Zug aufspringen werden, um ihr oberstes Ziel, die Marktanteile zu halten oder zu erhöhen, zu erreichen. Andererseits muss man sich fragen, ob solche Aktionen zusätzliche Verkäufe generieren. In diesem Falle könnte die Entwicklung so aussehen, dass die Hersteller ihre Hightech-Handys über den Fachhandel vertreiben und dort, wo es um grosse Volumina geht, ebenfalls den Grossverteilern günstige oder «abgespeckte» Geräte anbieten.

Besteht bei diesem Gerangel um Marktanteile nicht eine gewisse Gefahr der Verfälschung, dass nämlich durch solch hochvolumige Verkäufe an Grossverteiler neben den sogenannten «A-Brands» wie Ericsson, Motorola und Nokia plötzlich die vom Fachhandel weniger vertretenen «B-Brands» oder gar die «C-Brands» wesentliche Marktanteile gewinnen? Wie sind denn dann die Statistiken zu bewerten?

Wer zieht noch mit?

Wichtig ist in diesem Zusammenhang zu wissen, dass sich nicht nur Migros sondern auch Denner mit dem Gedanken tragen, verstärkt oder überhaupt in den Natel-Markt einzutreten. Und dabei geht es wahrscheinlich um nochmals höhere fünfstelle Gerätezahlen pro Aktion - also um denkbare «einige 10'000» Handys.

Auch wenn die «A-Brand» Hersteller bisher gewisse Befürchtungen haben, dass ihnen als Lieferanten für solche Aktionen das Image angekratzt wird, ist Nokia als erster über den Graben gesprungen. Es wird interessant sein zu beobachten, wie sich solche Aktivitäten auf das Verhältnis zum Fachhandel auswirkt. Ein erster Aufschrei war schon zu hören.

Friedrich W. Klappert




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