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Artikel aus Mobile Times 3

Welchen Stecker hat Ihr Handy?

Intel hat sehr erfolgreich eine Initiative ins Leben gerufen, die mit bisherigen Kompatibilitätsproblemen zwischen Notebook, Modem, Handy und GSM-Netz aufräumen soll.


Diese Frage war bisher üblich, da man es gewohnt war, dass jedes neue Handy eine neue Datenschnittstelle besitzt, daher auch neue Kabel und Stecker erfordert. Das heisst man hatte zwar das neueste datentaugliche Gerät, war aber durch die mangelnde Kompatibilität der Peripherie am Arbeiten gehindert. Und das in einer Zeit, in der die Computerindustrie sich schon lange auf Standards für die Form und Belegung von Steckern geeinigt hat.

Die Folge war klar: während Europa gemessen an den Teilnehmerzahlen zwar den weltweit grössten Markt für digitale mobile Sprachkommunikation hat, hinkt die mobile Datenübertragung deutlich hinten nach, wie eine Dataquest-Studie zeigt:

Nur 2% aller GSM-Teilnehmer können ihr Notebook an das GSM-Netz anschliessen, was deutlich zeigt wie inkompatibel die Schnittstellen derzeit sind.

Nur 0,5% des GSM-Verkehrs sind Daten, während dieser Anteil im Festnetz 46,3% beträgt.

Es gibt in Europa um 1,1 Millionen mobile Geschäftsleute mehr als in den USA. Dennoch wächst der Markt für mobile Computer in den USA 2,5-mal schneller als in Europa.

Dieses langsamere Wachstum des Marktes war wohl der wichtigste Grund für Intel die Mobile Data Initiative (MDI) ins Leben zu rufen. Das Ziel dieser Initiative ist es die Kompatibilitätsprobleme zwischen Handys, Modems und Notebooks zu beheben. Dadurch soll der Einsatz von GSM in der Datenübertragung gefördert werden, um Aussendienstmitarbeitern den Zugriff auf Internet und Intranet zu ermöglichen.

Die beteiligten Unternehmen erhoffen sich davon einen gesteigerten Informationsfluss, der das Kundenservice und im Gefolge die Wirtschaft der Anwender erhöhen soll - und natürlich wollen sie einen Teil der erhöhten Gewinne in ihre eigenen Taschen umleiten, aber das ist ja das Prinzip der freien Wirtschaft.

Beteiligung aller Betroffenen

Für die MDI hat Intel sich die Aufgabe gestellt alle Hersteller an einen Tisch zu bringen, da nur dann dieses Unterfangen von Erfolg gekrönt sein kann, wenn alle mitmachen, und niemand sein eigenes Datensüppchen kocht. Und tatsächlich sind dem Ruf des weltgrössten Produzenten von Mikroprozessoren alle gefolgt: Schon zu den Gründungsmitgliedern der MDI gehörten Ericsson und Nokia als Handy-Hersteller, IBM, Compaq und Toshiba auf der Seite der Notebook-Produzenten und die GSM-Betreiber Mannesmann Mobilfunk, T-Mobil, Telia, Cellnet und Vodafone. Schliesslich gehört auch noch der Softwaregigant Microsoft dazu, unter dessen Betriebssystem das alles sich schliesslich abspielen soll.

Mittlerweile sind natürlich weitere Firmen beigetreten, und zu den über 40 Teilnehmern gehören illustre Namen wie zum Beispiel Motorola, Hewlett-Packard, Alcatel, Siemens-Nixdorf, Dell oder Olivetti. Und auch bei den GSM-Betreibern ist die Resonanz enorm, wie die Beitritte von Airtel Movil Spain, Telefonica Moviles Spain, France Telecom, SFR France, Telecom Niederlande, Telecom Italia Mobile, Telenor Norwegen oder Nortel zeigen. Nur bei uns in der Schweiz ist es wie immer ein wenig still, und wie auf Anfrage bei MDI verlautete, sei in der Schweiz kaum Resonanz zu diesem Thema vorhanden.

Gibt es Plug & Play ?

Erster Schritt auf dem Weg zur Kompatibilität waren sogenannte «Interoperability Workshops», bei denen sich die Hersteller von PC-Card Modems, Notebooks und Verbindungssoftware treffen, um festzustellen, was denn nun wirklich funktioniert, beziehungsweise was man verbessern kann und muss, damit es besser funktioniert.

Der erste Erfolg für den Anwender war die Verbesserung der «Terminal Scripts», jener Programme mittels derer die Anwendungsprogramme mit dem Modem kommunizieren. Zu diesem Zweck hat Microsoft den «Unimodem» Treiber entwickelt, der zwar ursprünglich als Standardtreiber für die gängigsten Modems gedacht war. Nun aber wird damit - zumindest für Produkte von Herstellern, die an MDI beteiligt sind, wie Psion Datacom, Dr. Neuhaus oder Hugh Symons - echtes Plug & Play realisiert. Der Anwender muss nicht länger Treiber für das Modem oder die Applikationen zu konfigurieren, sondern kann einfach einstecken und sofort Daten übertragen.

GSM = ISDN

Mittlerweile ist der vierte dieser Workshops über die Bühne gegangen, bei dem es um Verbindungen von der Notebook-Basis zu einem ISDN-Netzwerk ging, was deshalb interessant ist, da man über ISDN viel schneller übertragen kann, als über analoge Telefonnetze. Die Voraussetzung dafür ist, dass sowohl das GSM Netzwerk, als auch die verwendete Datenkarte den V.110-Spezifikationen gehorchen. Andernfalls ist die Verbindung über ein ISDN-Netz um nichts schneller als über einen normalen Telefonanschluss.

Ist diese Bedingung aber erfüllt, so kann mit spezieller Software ein virtuelles LAN erstellt werden, wobei die GSM-Verbindung nur dann aufgebaut wird, wenn gerade Bedarf besteht. Auch wird bei einem Verbindungsausfall während einer Datenübertragung - wenn man zum Beispiel gerade in einen Tunnel einfährt - bei wiederhergestellter Verbindung dort weitergemacht, wo man unterbrochen wurde. Durch die kurze Zeit zum Verbindungsaufbau (vier bis fünf Sekunden statt zwanzig Sekunden über ein analoges Modem) wird dies praktikabel.

Diese Software, die hier entwickelt wurde, kann aber noch mehr: Wenn das Handy und die Datenkarte die GSM-Spezifikationen 7.05 und 7.07 unterstützten, welche Informationen über Batteriestärke des Handys, Signalstärke des Netzes und andere Parameter enthalten, so kann die Software die Paketierung der Daten und den Datenfluss optimal anpassen.

GSM ohne Handy

Der nächste Schritt sind massgeschneiderte Produkte der einzelnen Hersteller, die auf die Probleme mobiler Kommunikation besonders eingehen. So hat Nokia das Cellular Card Phone entworfen, das die Funktionen eines GSM-Handys auf einer PCMCIA-Karte realisiert. Genau so wie bei der GSM Data Card GC25 von Ericsson kann man so via GSM-Netz Daten und Faxe versenden, ohne den bisher üblichen Kabelsalat und die Abstimmung von Handy, Modem und Notebook zu benötigen.

Die erweiterte Variante dieser Idee ist das GS18 Telefon von Ericsson, das in gleicher Weise wie das GC25 keine separate PCMCIA-Karte braucht, aber ausserdem auch als normales Handy verwendet werden kann. Man muss daher nicht Handy und Datenkarte erwerben, sondern kommt mit einem Gerät aus.

Die andere Variante sich die PCMCIA-Karte zu ersparen ist das «Soft Modem», mit dem das Handy direkt an die serielle Schnittstelle des Computers angeschlossen wird. Ein Beispiel dafür ist die Nokia Cellular Data Suite, die eigentlich nur aus einem Verbindungskabel und einem Programm für Win'95 besteht.

Was tut Intel?

Warum aber hat Intel, eine Firma die ja Prozessoren herstellt überhaupt den Anstoss für diese Initiative gegeben? Schliesslich sind die Umsätze von Telekom-Firmen nicht Intel's Bier. Jedoch erhofft sich Intel davon eine Steigerung des Absatzes seiner Mikroprozessoren. Denn wenn mobile Kommunikation leichter wird, so ist auch der Anreiz sich ein Notebook zuzulegen grösser und damit steigt auch der Umsatz von Intel. Und um dem Schlagwort «Intel inside» eine neue Dimension zu geben, hat man sich auch etwas einfallen lassen: «mobile module».

Das sind Platinen mit Prozessorsockel und komplettem Chipsatz, die für den Einsatz aller aktuellen Intel-Chips (Pentium, Pentium Pro, Pentium MMX) geeignet sind. Da diese Module für den mobilen Einsatz optimiert sind (Stossfestigkeit, Stromverbrauch), kann der Anwender leichtere und leistungsfähigere Geräte erwarten, die leichter gewartet werden können und weniger Strom verbrauchen. Durch die Zusammenarbeit mit den Herstellern der Notebooks und Handys im Rahmen der MDI sind diese Module für aller Hersteller geeignet und auf dem neuesten Stand der Technik.

Nur in Europa?

Nachdem MDI in Europa so ein durchschlagender Erfolg war, hat Intel nun eine ähnliche Initiative in den USA gestartet. Die Hardwarehersteller sind natürlich die selben, nur die Netzbetreiber sind andere. Auch ist die Produktlage in dem GSM 1900 System, das in den USA ja verwendet wird, etwas anders als in Europa. Die wichtigsten Partner sind hier Bell South, Pacific Bell, Microcell, Western Wireless, Powertel, Aerial Communications und - last, but not least - Omnipoint, übrigens der erste Betreiber in den USA, mit dem Swisscom ein Roamingabkommen abgeschlossen hatte.

Notebook für Studienplatz?

Die hier begonnene Vereinheitlichung von Spezifikationen von Notebooks, Modems, Handys und Treibersoftware wird in Zukunft mobile Datenübertragung zu einem alltäglichen Gebrauchsgegenstand machen, so wie es das Handy schon geworden ist. Denn auch dieses war ursprünglich ein Luxusobjekt, das zur Angabe diente und nur von wenigen verwendet wurde. Mittlerweile hat es sich aber zu einem Gegenstand des Alltags gewandelt, der ähnlich «Luxus» ist wie ein Auto.

In Insiderkreisen wird sogar schon die Vision gewälzt, dass in Zukunft jeder, der an einer Uni studieren möchte, ein Notebook mit GSM-Kommunikation vorweisen können muss. Doch das blickt schon sehr weit voraus.

Michael Köttl




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