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Artikel aus Mobile Times 2

Nicht immer rauscht das Netz

Auf der österreichischen Messe HIT '97 haben wir 222 Handys verschiedener Hersteller auf Herz und - soweit ein entsprechender Adapterstecker vorhanden - Nieren geprüft. Hier sind nun die Ergebnisse.


Insgesamt wurden es 222 Handys, die wir auf der HIT '97 getestet haben. Allesamt waren es Geräte, die tatsächlich im Einsatz sind und von den jeweiligen Eigentümern am Ladentisch gekauft wurden. Lediglich eine Firma hatte es für nötig befunden, ein Gerät fünf Stunden lang zu tunen und uns dann zum Testen zu bringen. Am Durchschnitt aller gemessenen Geräte hat dies - vermutlich zum Leidwesen der Firmenvertreter - kaum etwas geändert.

Das wurde gemessen

Die Firma Wavetek hatte uns für die Messe ein Programm zusammengestellt, mit dem wir die wichtigsten Daten von GSM-Handys rasch messen konnten. Diese Daten erlauben es, die Qualität des GSM-Teils und des Frequenzgenerators ziemlich genau zu beurteilen, doch sind dem Laien diese technischen Fachbegriffe natürlich nicht immer geläufig, warum wir sie hier kurz erklären möchten (siehe auch MOBILE TIMES 1, Seiten 12/13).

RMS Phase und Peak Phase geben beide den Phasenfehler des GSM-Synchronsignals in Grad an, wobei Peak Phase der maximale Fehler ist und RMS Phase der mittlere quadratische Fehler.

Der Frequenzfehler gibt die Abweichung des Signals des Frequenzgenerators von der Sollfrequenz in Hertz an. Da die GSM-Frequenzen im Bereich von 900 MHz liegen, ist der maximal erlaubte Fehler von 115 Hz eine Abweichung von 0,00012‰. Zur Erzielung noch genauerer Messresultate wird dieser Fehler bei drei verschiedenen Frequenzen im unteren, mittleren und oberen Bereich des GSM-Bandes gemessen.

Die Burst Length ist die Länge des GSM-Impulses. Da GSM eine digitale Übertragung verwendet, besteht die eigentliche Information in Rechtecksignalen, die auf die 900 MHz-Trägerwelle aufmoduliert werden. Damit der Empfänger weiss, was nun ein Bit ist, muss die Länge dieses Rechtecks normiert werden, und zwar mit einer zeitlichen Länge von 543 µs, wobei eine Abweichung von ±10 µs erlaubt ist, was einen erlaubten Fehler von etwa 1,8% darstellt.

Der wohl wichtigste Messwert ist die Bitfehlerrate (BER = Bit Error Rate), die angibt, wieviele der übertragenen Bits das Natel richtig erkennt. Für diese Messung schickte das Messgerät einige tausend Bit zum Handy, liess sie sich zurückschicken und verglich dann, wieviel Prozent das Natel falsch erkannt hatte. Ideal wären dabei natürlich 0%, was man bei neuen Geräten durchaus erwarten kann.

Gemessen wurde bei den Signalstärken von -96 dBm und -102 dBm, bei denen die Fehlerraten maximal bei 0,30% bzw. bei 2,44% liegen dürfen. Eine zu hohe Bitfehlerrate merkt man im Betrieb an rauschenden Gesprächen und abreissenden Verbindungen.

Für abreissende Verbindungen können aber auch die zwei folgenden Messwerte verantwortlich sein: TX Level und RX Level. Der TX Level ist die Sendestärke des Geräts, die in dBm angegeben wird. Ist diese zu niedrig, bekommt die Basisstation kein Signal mehr, ist sie zu hoch, stört man den Empfang anderer GSM-Handys.

Der RX Level ist die Empfangsstärke des Handys. Diese kann man, ohne das Natel zu zerlegen, natürlich nicht direkt messen. Jedoch sendet das Handy regelmässig ein Bestätigungssignal an die Basisstation, wie stark es denn nun empfängt. Dieses Signal ist eine Zahl zwischen 0 und 63 (eigentlich zwischen 0000002 und 1111112), die jeweils einem bestimmten dBm-Wert entspricht. Wenn man nun mit einer genau definierten Sendestärke über eine Strecke, deren Dämpfung bekannt ist, an das Gerät sendet, lässt sich aus dem vom Natel gemeldeten Signal die Qualität des Empfangsteils feststellen. Ist dieser Empfangswert zu niedrig, bedeutet dies, dass es weniger Signal nützt, als eigentlich vorhanden ist. Daher meldet das Gerät, es habe kein Netz, obwohl eine Verbindung eigentlich noch möglich wäre. Ist dieser Wert hingegen zu hoch, meldet der Empfangsteil mehr Feldstärke, als eigentlich vorhanden ist. Das sind die Geräte, die zwei bis drei Balken Feldstärke anzeigen und trotzdem keine Verbindung zustande bekommen.

Das zeigen die Grafiken

Die getesteten 222 Geräte gehören natürlich zu vielen verschieden Marken. Bei der Auswertung mussten wir aber Mittelwerte bilden, da ein einzelnes Gerät zweifelsohne nichts über die Qualität einer Reihe von Geräten aussagen kann. Deswegen haben wir alle Geräte mit fünf oder weniger Stück zu einer Gruppe zusammengefasst, die Sie auf den Grafiken unter «Sonstige» finden. Ausserdem haben wir auch die Mittelwerte über alle gemessenen Geräte gebildet, den Sie auf den Grafiken unter «Alle» finden. Dieser Wert ist sozusagen die durchschnittliche Güte aller auf dem Markt erhältlichen Geräte, gegenüber dem sich bestimmt, ob ein einzelner Typ besonders gut oder schlecht ist.

Die vorgeschriebenen Normwerte haben wir durch Unterlegung mit einem Farbverlauf gekennzeichnet, wobei Rot dem Normwert entspricht, während Gelb den maximalen Toleranzbereich kennzeichnet. Der Rest der Tabelle ist Grün unterlegt, das sind die verbotenen Werte. Die Balken selbst sind jeweils eine Standardabweichung um den Mittelwert, reichen also von m-s bis m+s, was einem Konfidenzintervall von 68,3% entspricht. «m» steht dabei für den Mittelwert und «s» für die Standardabweichung. Hätten wir das statisch übliche Konfidenzintervall von 95%, das etwa 2×s entspricht, eingezeichnet, würde man die Balken der besseren Modelle kaum noch sehen.

Was uns auffiel

Wir hatten natürlich vor Beginn der Messungen gewisse Erwartungen, wie die Geräte abschneiden würden. Manche dieser Erwartungen wurden bestätigt, andere widerlegt. Eine dieser Erwartungen war, dass das kostengünstige Philips Fizz (in der Zwischenzeit nicht mehr im Lieferprogramm), relativ schlecht abschneiden würde. Beim Phasenfehler des GSM-Signals war dies auch der Fall. Zwar liegen die Mittelwerte noch innerhalb des erlaubten Bereichs, doch ist der Streubereich ziemlich gross, was darauf hindeutet, dass der niedrige Preis unter anderem durch Einsparungen bei der Endkontrolle erzielt wird. Darauf deutet auch der relativ gute Wert bei Frequenzfehler und Länge des Rechteckimpulses hin, der zeigt, dass bei dieser Komponente nicht gespart wurde. Auch die Bitfehlerrate zeigt durch ihre breite Streuung, dass offensichtlich alle Montagsmodelle ungeprüft in den Handel kommen. So erzählte uns ein Besucher, dass er sein Fizz nun schon zum dritten Mal umgetauscht habe, aber dieses funktioniere nun. Solange der kostenlose Umtausch für die Firma billiger ist, als eine gründliche Qualitätskontrolle, wird sich daran aber auch nichts ändern.

Ein Wort zur Bitfehlerrate des Nokia 1610: Dieses Handy hat keinen regulären Kabelanschluss, warum wir über eine induktive Kopplung an der Antenne messen mussten. Diese hat natürlich nicht dieselben exakt definierten Verlust- und Fehlerwerte wie ein normaler Stecker, warum die Fehlerrate relativ hoch ausfällt und die RX- und TX-Werte etwas zu niedrig sind. Die anderen Messwerte, die von diesem Unterschied nicht betroffen sind, liegen weitaus besser.

Wenn man diese Beeinträchtigung herausnimmt, hat die höchste Bitfehlerrate bei niedriger Sendeleistung das Motorola 8700, bei stärkerer Sendeleistung überschreiten hingegen das Panasonic G500 und das Philips Fizz den Grenzwert, während das Gerät von Motorola sehr gut liegt. Interessant ist auch, dass das Nokia 8110 zwar mit dem Mittelwert im erlaubten Bereich liegt, aber sehr stark streut. Das heisst: Auch hier gibt es Geräte mit sehr guten Werten und andere, welche die Grenzwerte überschreiten. War also die Nachfrage nach dem Nokia 8110 so gross, dass man die Produktion beschleunigen und die Qualitätskontrolle reduzieren musste?

Während die Sendeleistung bei allen Geräten im erlaubten Bereich liegt und natürlich im Mittel etwas über dem Sollwert, um eine möglichst gute Verbindung zustande zu bringen - gibt es bei der Empfangsfeldstärke echte Ausreisser: Die Geräte von Ericsson. Hier wird oft ein zu hoher Empfangspegel angezeigt, was dann zu dem berechtigten Aufschrei führt: «Warum bekomme ich keine Verbindung? Es zeigt doch ohnehin drei Balken an!» Das einzige Gerät, das uns nirgends aufgefallen ist, und von dem wir genügend Datenmaterial haben, um eine halbwegs sichere Beurteilung zu treffen, ist das Siemens S4. Deutsche Gründlichkeit, wie immer ...

Michael Köttl




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